"Angst": Warum Portugal bisher gut durch die Corona-Krise steuert
Woran liegt es, dass Spanien eine der gravierendsten Infektionskurven und mittlerweile die zweitmeisten bestätigten Covid-19-Fälle weltweit hat und der Nachbarstaat Portugal bisher vergleichsweise ruhig durch die Corona-Krise steuert?
Zum Vergleich: Spanien hat laut John Hopkins University über 148.000 bestätigte Corona-Fälle und beinahe 15.000 Tote. In Portugal sind es knapp über 13.000 bestätigte Fälle und „nur“ 380 Tote – Stand Donnerstagmittag. In Spanien leben etwa 47, in Portugal 10,3 Millionen Menschen.
Nun ist klar, dass viele Faktoren diese „Vergleichszahlen“ verzerren: Anzahl der Testungen, Dunkelziffern, Bevölkerungsdichte, wer als „Corona-Toter“ gilt und wer nicht.
Und dennoch: Eine schlüssige Erklärung dürfte sein, dass Portugal sehr früh Maßnahmen ergriff. „Es ist die Angst. Deswegen verhalten sich die Leute einigermaßen vernünftig“, sagte Ana Girbal dem deutschen Spiegel, Epidemiologin in Lissabon und Direktorin beim Medizinmulti "Italpharm".
Zugang zum Gesundheitssystem für alle
Mit Präsident Marcelo Rebelo de Sousa ging bereits am 8. März das erste europäische Staatsoberhaupt freiwillig in Quarantäne. Er hatte zuvor eine Schule besucht, an der es Corona-Infizierte gab. Gleichzeitig häuften sich die Schreckensmeldungen aus Spanien und Italien.
Portugal reagierte: Supermärkte ließen Menschen nur noch in kleinen Gruppen eintreten. Die restlichen Einkäufer mussten diszipliniert Schlange stehen - und taten das auch. Migranten, Flüchtlingen, aber auch Asylwerbern mit laufendem Verfahren wurde schneller Zugang zum Gesundheitssystem gewährt.
Portugal muss besonders vorsichtig sein, verfügt über vergleichsweise wenige Intensiv-Betten – 6,4 Betten für 100.000 Einwohner. In Deutschland sind es laut OECD-Studie 33,3, in Österreich 28,9, im Nachbarland Spanien 9,8. Und: Die Bevölkerung Portugals gehört zu den ältesten in Europa. Jeder Fünfte ist älter als 65 Jahre.
Hilfe für Obdachlose
Portugal sagte bereits Anfang März Massenveranstaltungen ab, verringerte damit die Wahrscheinlichkeit von Hotspots wie dem Elsass, der Lombardei oder dem Landeck. Am 18. März wurde der nationale Ausnahmezustand erklärt, allerdings keine „harte“ Ausgangssperre eingeführt. Ähnlich, wie in Österreich, sollen die Menschen auch in Portugal maximal zum Einkaufen und Arbeiten das Haus verlassen. Die Straßen sind seitdem wie leergefegt, berichten Reporter vor Ort.
Flughäfen und Grenzübergänge wurden größtenteils schnell geschlossen, Reisen in andere Städte sind verboten. In Lissabon hat die Stadtverwaltung Lebensmittelbörsen und Schlafzentren für Obdachlose eingeführt. Portugal dürfte die Lagen im Griff haben, doch eine andere Furch wird gleichzeitig immer größer: Nach der Weltwirtschaftskrise 2008 und der Bankenrettung 2015, stehen die Portugiesen, die grundsätzlich gut durch diese Zeit gekommen sind, wieder vor einer ökonomischen Mammutaufgabe.