Merkel: "Diese Wahl wird schwierig wie keine zuvor"
Von Evelyn Peternel
Nein, der Zeitpunkt, um zu gehen, ist definitiv noch nicht da. "Kein halb totes Wrack" wolle sie sein, wenn sie von der Politik Abschied nehme, hat Angela Merkel mal gesagt; das war 1998.
Heute, 18 Jahre später, steht Merkel "noch ganz munter" da, wie sie selbst sagt, und sie muss selbst ein wenig lächeln. Freilich, leicht hat sie sich die Entscheidung nicht gemacht, das sieht man ihr am Sonntagabend bei der lange erwarteten Pressekonferenz auch an. "Die Entscheidung für eine vierte Kandidatur ist alles andere als trivial. Weder für das Land, noch für die Partei, noch – und ich sage es ganz bewusst in dieser Reihenfolge – und für mich", sagt sie mit ernster Miene.
Erwartungsdruck
Warum ihr das nicht leicht gefallen ist, ist offensichtlich. Die Erwartungshaltung im Vorfeld war groß, das sagt sie auch selbst: "Grotesk und absurd" nennt Merkel die medial zuletzt immer häufiger vorgetragene Forderung, sie sei doch die geistige Nachfolgerin Barack Obamas, das große Gegengewicht zu Donald Trump. Dazu kommt das vergangene Jahr, das für Merkel eines des herausforderndsten ihrer Karriere war – in den Krisen des letzten Jahres hatte es tatsächlich öfter den Anschein, als würden die persönlichen Angriffe aus CSU und vom verbitterten Volk, das sich schimpfend auf der Straße sammelte, ihr stark zusetzen.
Deshalb aufzugeben, sei für sie aber nicht infrage gekommen, sagt sie am Sonntagabend. Oft sei zuletzt der Wunsch an sie herangetragen worden, weiterzumachen, sagt sie; dass die Partei hätte auch keine andere Führungsfigur in petto hatte, erwähnt sie nicht. Was sie aber sagt, ist dass das nächste Jahr ein schwieriges für sie werden wird: "Diese Wahl wird wie keine zuvor – jedenfalls seit der Einheit nicht – schwierig. Wir werden es mit Anfechtungen zu tun haben", sagt sie, "von links und von rechts". Aber Merkel will kämpfen: Sie wolle "streiten", so die Vorgabe an ihre Partei, aber "nicht hassen, andere herabsetzen oder ausgrenzen", so ihre Botschaft an die AfD.
Dass Trump nur ein Vorbote dafür ist, was 2017 auch in Europa passieren könnte, dürfte Merkel auch verstanden haben – zumindest lässt sich das gut aus dem Leitantrag herauslesen, den sie beim Parteitag im Dezember vorlegen will. Auf Basis dieses Antrags, der den bezeichnenden Name "Orientierung in schwieriger zeit" trägt, soll nämlich das Programm für die Wahl im September erstellt werden.
Ansage an die AfD
Erste Auszüge daraus lesen sich wie eine Kampfansage an die AfD. So wird darin ausdrücklich vor den "einfachen Antworten" politischer Mitbewerber gewarnt, die letztlich nur "den inneren und äußeren Frieden" gefährden würden. Zudem macht man jenen, denen die CDU in den vergangenen Jahren unter Merkel zu weit nach links gerutscht ist, konkrete Angebote. Die Partei setzt – ohne den zumindest nach außen hin liberalen Kurs in der Flüchtlingsfrage zu verlassen – auf "alte" Kernthemen wie Identität und Sicherheit; etwa, indem sie die Bundeswehr besser ausstatten will, ebenso wie sie Familien und untere und mittlere Einkommen entlasten will.
Das ist eine dringend nötige Handreichung an jene, die sich wirtschaftlich von den schrumpfenden Großparteien verlassen fühlen.
Ob die Wähler diesen Kurs goutieren, wird sich erst 2017 weisen – dann heißt die Frage Angela Merkel, Martin Schulz oder Sigmar Gabriel; die SPD hat ihren Kandidaten ja noch nicht gekürt. Dass die Deutschen sich aber über Merkels Wiederantritt freuen, weiß man schon jetzt: 55 Prozent finden es gut, dass sie nochmals in die Wahl zieht, ergab eine Umfrage der Bild, die Sonntagfrüh erschien. Ob das ihre Entscheidung, die bereits zu Mittag verkündet wurde, beeinflusst hat, steht in den Sternen – gefreut wird es Angela Merkel aber sicherlich haben: Am Sonntagabend sieht man sie deutlich öfter lächeln als sonst.