Zu Merkel gibt’s keine Alternative - noch

Merkel tritt wieder an – das wirkt beruhigend. Sie muss aber aufpassen, nicht selbst zur Polarisiererin zu werden.
Evelyn Peternel

Evelyn Peternel

Früher hieß es immer, Angela Merkel profitiere vor allem davon, dass sie gnadenlos unterschätzt wird. Heute könnte man das umdrehen. Die deutsche Kanzlerin, deren politisches Ende vor ein paar Monaten noch denkbar war, wagt eine vierte Kandidatur – nicht aus Lust, sondern aus Pflicht: Dass man sie nach dem Sieg Donald Trumps kollektiv zur Hoffnungsträgerin der freien Welt erhöht hat, hat den Druck auf sie enorm gesteigert. Wie hätte Merkel, stets die Garantin für Stabilität, da Nein sagen können?

Auch ihr selbst ist durchaus klar, dass es schwierig bis unlösbar sein wird, diese herbeigeschriebene Hoffnung zu erfüllen. Aber man darf bei Merkel stets auf Pragmatismus hoffen: Sie weiß, dass ein Abschied die CDU zerrissen hätte – und sie weiß, dass das Loch, das sich dann in Europa aufgetan hätte, vermutlich auch die SPD nicht gestopft hätte. Insofern ist ihr Antreten konsequent und beruhigend; noch ist sie wirklich alternativlos.

Ihre selbst erschaffene Alternativlosigkeit birgt jedoch auch die Gefahr weiterer Spaltung – jene, die oft abfällig "abgehängt" genannt werden, deren Hassobjekt sie schon jetzt ist, könnten mehr werden. Will sie gewählt werden, muss Merkel weg von ihrem "Weiter so", muss die Polit-Blase durchlässiger, Politik angreifbarer machen. Sie muss der Polarisierung Grundlegendes entgegensetzen – vor allem wirtschaftlich, denn auch im Jobwunderland Deutschland läuft viel verkehrt.

Schafft sie es, in Zeiten von Zerrüttung für Einheit zu sorgen, wäre das ein wichtiges Signal für ganz Europa. Schafft sie das nicht, ist es mit ihrer Alternativlosigkeit schnell vorbei. Bleibt zu hoffen, dass Merkel aus ihrer Überschätzung klug wird – und alle davon profitieren.

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