IS: Am Boden, doch brandgefährlich
Von Armin Arbeiter
Oft war er totgesagt worden, am Montag tauchte zum ersten Mal seit fünf Jahren ein neues Video von ihm auf: Abu Bakr al-Baghdadi, Chef der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) lebt noch, das „Staatsgebiet“ hingegen liegt in Trümmern. Nach dem Verlust der syrischen Stadt Baghouz Ende März, kontrolliert der IS in Syrien und im Irak nur noch karges Ödland. Ganz anders vor fünf Jahren, als Baghdadi in der Al-Nuri-Moschee in Mossul sein Staatsgebiet ausgerufen hatte und die Terrormiliz mit massiven Gebietsgewinnen und blutigen Anschlägen in Europa und auf anderen Kontinenten die Welt schockierte. „So erhebt eure Waffen, Soldaten des Islamischen Staates und kämpft, kämpft!“, hatte er damals gefordert.
Schatten seiner selbst
Die verheerenden Anschläge von Sri Lanka haben gezeigt, dass sein Befehl nicht in Vergessenheit geraten ist.
Dennoch ist der IS heute gebietstechnisch ein Schatten seiner selbst, doch nach wie vor verüben Attentäter Anschläge im Irak und in Syrien. Vor allem in den mehrheitlich sunnitischen Gebieten des Irak sind die Kämpfer untergetaucht und wenden dieselbe Strategie an, wie vor 2014: Kleine Gruppen planen und verüben Anschläge, schaffen damit Unsicherheit im Land.
Auch in Syrien fordern IS-Anschläge regelmäßig ihre Opfer – dabei ist es den IS-Kämpfern scheinbar gleichgültig, ob sie Kurden, Assad-Truppen oder andere Islamisten treffen. Tausende Dschihadisten haben sich jedoch ins Ausland abgesetzt und sind dort nach wie vor eine Bedrohung: In Afghanistan hält die Terrormiliz einige Gebiete, vor allem das Tora-Bora-Höhlensystem, in dem sich bereits Osama bin Laden versteckt hatte. Mehr als 2000 IS-Kämpfer vermuten die US-Streitkräfte am Hindukusch, Tendenz steigend: „Sie haben raffinierte Rekrutierungsmethoden“, sagte General Joseph Votel, Kommandant des CENTCOM der US-Streitkräfte, dem Sender CNN.
IS rekrutiert weiter
Wie früher in Syrien und im Irak rekrutieren die Terroristen junge Männer aus Schulen und Moscheen, werben auf Social Media. Unter die Kämpfer in Afghanistan haben sich laut US-Streitkräften auch Dschihadisten aus Südostasien gemischt.
Das ist bezeichnend für die Zunahme islamistischer Aktivitäten in dieser Region: Vor allem auf den Philippinen und Malaysien hat der IS eine starke Anhängerschaft. Auf der südphilippinischen Insel Mindanao liefern sich Regierungstruppen seit Jahren schwere Kämpfe mit IS-Verbündeten, Ende Jänner ließen Islamisten eine Bombe in einer katholischen Kirche detonieren, töteten 20 Menschen. Nur mit gewaltigen Anstrengungen konnte die Armee 2017 die 400.000 Einwohner-Stadt Marawi von den Dschihadisten zurückerobern.
Nach wie vor ist der IS imstande, in das Machtvakuum eines instabilen Staates einzudringen – etwa im Jemen oder in Libyen: Immer wieder erschüttern Anschläge im Zeichen der schwarzen Flagge diese Länder. Feste Bastionen hat die Terrororganisation außerdem noch auf der Halbinsel Sinai und im Norden Nigerias.