Als Kind Prostituierte, später Botschafterin gegen sexuelle Ausbeutung
Von Walter Friedl
Sie glaubte an sich und daran, dass jeder und jede eine zweite Chance im Leben erhält. Als sich Augusta Ngombu aus Sierra Leone mit 16 Jahren diese zweite Chance bot, ergriff sie sie, zog sich am eigenen Schopf aus der Gosse, in der sie als Straßenkind ihren jungen Körper als Prostituierte verkaufen musste, und schaffte den Neustart. Jetzt, mit nur 23 Jahren, endete das Leben der beeindruckenden Frau – indirekt durch das Coronavirus: Da sie Angst vor einer Ansteckung hatte, suchte sie in ihrer westafrikanischen Heimat kein Spital mehr auf, als die antiretroviralen Medikamente ausgingen. Sie starb am HI-Virus.
Augusta war zwölf, als sie Vollwaise wurde. Sie landete bei Verwandten, die sie zwangen, das Einkommen als Straßenverkäuferin aufzubessern. Brachte sie zu wenig Geld nach Hause, setzte es Prügel. Irgendwann ertrug sie das nicht mehr, nahm Reißaus und landete auf den Straßen der Hauptstadt Freetown. Das Einzige, das sie hatte, um dort ihr Fortkommen zu sichern, war ihr Körper. Den verkaufte sie an Freier, um zu überleben.
Salesianer als Rettungsanker
Dann die Wende: Mit 16 kam sie in Kontakt mit Salesianerpater Jorge Crisafulli. Der Spanier ist Direktor eines Kinderschutzzentrums, das von der österreichischen NGO „Jugend Eine Welt“ unterstützt wird. Der Teenager begann wieder, in die Schule zu gehen, schloss die Sekundarstufe erfolgreich ab, machte eine Ausbildung zur Köchin und wurde schließlich in einem Restaurant angestellt.
Ihre Herkunft und ihren Leidensweg vergaß Augusta nie – sie engagierte sich in Pater Crisafullis Einrichtung und wirkte in dem Dokumentarfilm „Love“ mit (Regie: Raul de la Fuente) mit, in dem es um die Problematik der Kinderprostitution geht und der auf "YouTube" abrufbar ist. Und sie wurde gleichsam „Botschafterin“ gegen die sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen.
"Niemand nützt mich mehr aus"
In dieser Funktion hatte die Afrikanerin 2019 mehrere hochkarätige Treffen in Europa. Unter anderem mit dem damaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, sowie mit Papst Franziskus. All diese Bilder hängte sie nach der Rückkehr in ihrem eigenen Restaurant auf. Sie war stolz darauf und mit sich im Reinen: „Ich fühle mich glücklich. Jetzt lacht niemand mehr über mich und nützt mich aus.“
Strahlkraft bleibt
Auch ein Foto mit der damaligen Staatschefin Maltas, Marie-Louise Coleiro Pricaff, ist in dem Essenslokal zu sehen. Diese gab Augusta nach einer Begegnung ihre Privatnummer und sagte zu ihr: „Ich habe nun mit dir eine Tochter in Sierra Leone.“ Jetzt verstarb die junge Frau, ihre Strahlkraft als Vorbild bleibt – und gibt Hoffnung für so viele Leidgenossinnen.