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Wie ein englisches Dorf seit 75 Jahren Jane Austen huldigt

 Sophie Andrews muss schmunzeln, wenn sie Passanten wahrnimmt, deren Blicke über die Steinmauer des Cottage in den Garten wandern. Wenn sie ihre Gruppe auf der Picknickdecke zunächst nur streifen, aber der Kopf dann noch einmal zurückschießt. Sitzt hier doch eine Gruppe Freunde stilecht im Stil der Regentschaftszeit mit Empirekleidern und Fracks, mit Strohhauben und Zylindern, mit Handschuhen und Bastkörben. „Kein alltäglicher Anblick, oder?“

In Südengland stößt man immer wieder auf Orte, die ein Näheverhältnis zur Romanautorin Jane Austen beanspruchen. Mit 30 Millionen verkauften Exemplaren ist sie eine der berühmtesten Schriftstellerinnen des Landes. Und so ruft sich Steventon gern als Geburtsort, Bath als einstweiliger Wohnort, Winchester als letzte Ruhestätte in Erinnerung. 

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Doch nur in Chawton südwestlich von London hat Jane Austen all ihre sechs Romane finalisiert und veröffentlicht. Die Autorin lebte hier von 1809 bis 1817 mit ihrer Schwester und ihrer Mutter.

Das kleine Dorf voll reetgedeckter Cottages, lieblicher Gärten und Kiespfade ist das ganze Jahr über aus der Zeit gefallen. Doch rund um Austens Todestag am 18. Juli werden die Uhren im Jane Austen House richtig zurückgedreht. Da wird zum „Dress Up Day“ geladen.

Flucht in eine heile Welt

Helen Rogers ist dafür aus Basingstoke angereist. Sie sitzt in hellblauem Kleid und Sonnenschirm auf einer Gartenbank. Sie hat die Bücher als Teenagerin verschlungen und während der Pandemie wiederentdeckt. „Man kann sich darin einfach so wunderbar verlieren.“

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Liz Hood nickt. „Ich lese sie immer, wenn ich etwas Aufmunterndes brauche.“ Es seien ja nicht nur schöne Liebesgeschichten, in denen guten Menschen Gutes passiert. Da sei auch der Witz, der Mut der Autorin zur amüsanten Gesellschaftskritik. „Sie war eine Vorreiterin des Feminismus.“ So wunderbar findet Liz Hood Jane Austen, dass sie nun freitags im Museum als Freiwillige aushilft.

Die 28-jährige Sophie Andrews, die Sandwiches und Scones mit ihren Freunden teilt, arbeitet nicht im Museum, lebt aber doch von Jane Austen. In ihrem Blog „Laughing with Lizzie“ nimmt sie ihre 132.000 Followern virtuell mit in die Regentschaftszeit. Sie organisiert Bälle und ihr Buch „Be More Jane“ ist im Museumsshop erhältlich. 

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Die Austen-Ära verzaubert auch 200 Jahre nach dem Tod der Autorin.

Wie aktiv die Fangemeinde ist, zeigt sich erst unlängst wieder, meint Museumsmitarbeiterin Sophie Reynolds. Das Museum hatte eine Biografie von Austens Bruder Frank akquiriert. Doch die Handschrift war schwer zu lesen. Und so baten sie die Fans um Hilfe. „Innerhalb von 24 Stunden hatten wir 2.000 Helfer.“

Schmökern, spazieren

Im Laufe des Tages füllt sich das Anwesen. Die Besucher schmökern in Austens Büchern, probieren sich an einer Party Croquet oder beobachten wie die Klöpplerinnen aus weißen Fäden an vielen Spulen feine Spitze weben. Und wer bei der Ankunft kein Kostüm hat, darf sich im weißen Gartenzelt etwas aussuchen.

Das Korsett sitzt ein wenig zu eng um die Brust und doch fühlt man sich herrlich elegant, so Guide Rebecca Wood auf dem Dorfrundgang zu folgen. 

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„Vor 200 Jahren“, erzählt sie, „war es hier gar nicht so idyllisch. Da sind die Kutschen so rasant am Cottage vorbeigeprescht, dass die Fenster geklirrt haben. Es war den Austens ein bisschen zu viel.“ Sie deutet auf ein zugemauertes Fenster.

Stärkung für Soldaten

Dass das Cottage heute Museum ist, hat mit einer engagierten Dorfbewohnerin zu tun – und mit dem Krieg.

In den 1940ern erkannte Dorothy Darnell, dass die Arbeiter-Wohnungen an der Winchester Road einst das Zuhause der Austens war. Um das Geld für den Erwerb zusammenzubekommen, inserierte sie in der Times.

Darauf reagierte T. E. Carpenter. Sein Sohn war im Zweiten Weltkrieg gefallen und Austens Bücher hatte den britischen Soldaten Trost gespendet. Stolz und Vorurteil war das meistgelesene Buch in den Schützengräben des Ersten, Sonderausgaben von Überredung und Northanger Abbey wurden während des Zweiten Weltkriegs verteilt.

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Carpenter stellte die 3.000 Pfund (umgerechnete inflationsangepasste 250.000 Euro) zur Verfügung und am 23. Juli 1949 konnten die ersten Besucher begrüßt werden. Doch der große Aufschwung kam 1995, als mit Stolz und Vorurteil, Überredung sowie Gefühl und Verstand gleich drei Bücher verfilmt wurden. Aus einigen Hundert Besuchern wurden 50.0000.

Kommendes Jahr wird wieder groß gefeiet. Da wird Jane Austens 250 Jahre alt. Die erste Sonderausstellung ist ab Oktober zu sehen. Auch Bloggerin Sophie Andrews bastelt an Ideen. „Alles andere wäre für dieses Jubiläum unpassend.“

 

Jane Austen House

Das Museum liegt ca. eine Autostunde südwestlich von London.