Syrischer Ex-Geheimdienstler zu lebenslanger Haft verurteilt
Unter seinem Kommando sollen nach Ansicht des Oberlandesgerichts Koblenz zwischen April 2011 und September 2012 mindestens 4.000 Häftlinge mit Schlägen, Tritten und Elektroschocks gefoltert worden sein. Viele Gefangene starben durch die Misshandlungen. Im weltweit ersten Strafverfahren gegen ein Mitglied des Staatssicherheitsapparats des syrischen Assad-Regimes wurde gestern, Donnerstag, Anwar R. wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, 27-fachen Mordes und Folter zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Verteidigung hat Revision (Berufung) beim Bundesgerichtshof angekündigt.
Der frühere Oberst R. war Chef der Ermittlungsabteilung 251 der syrischen Staatssicherheit, sprich des Geheimdienstes. Der Abteilung 251 unterstand das berüchtigte Gefängnis Al Khatib im gleichnamigen Damaszener Stadtviertel.
„Das Urteil ist ein historisches Signal im weltweiten Kampf gegen die Straflosigkeit“, sagte Markus Beeko, Generalsekretär von Amnesty International Deutschland. Mit Folge-Prozessen wird unter anderem in Schweden und Österreich gerechnet.
Seit Mai 2015 befindet sich der frühere syrische Stasi-General Khaled H. in Österreich, wie der KURIER aufdeckte. Der israelische Geheimdienst Mossad hatte ihn hier untergebracht, der österreichische Verfassungsschutz fungierte als Aufpasser.
Der Ex-General der Staatssicherheit war von 2009 bis März 2013 in der Stadt Rakka stationiert und leitete dort die Abteilung 335. Sie soll Demonstrationen brutal niedergeschlagen, Misshandlungen an Gefangenen und Erschießungen durchgeführt haben. H. soll vor Ort einer der Kommandanten gewesen sein. Im März 2013 will er von Rakka in die Türkei geflohen sein. In Österreich wird gegen H. nur wegen des Verdachts der Körperverletzung ermittelt, weil die Strafbestimmung Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in Kraft war. Mord wird dem Ex-General aber nicht vorgeworfen.
Vorwürfe bestritten
„Mein Mandant bestreitet die Vorwürfe. Ich glaube nicht, dass das deutsche Urteil für uns eine Richtung vorgibt“, sagt Timo Gerersdorfer, der Verteidiger von H., zum KURIER. „Der Staatsanwalt macht seine Arbeit. Und wir werden uns zu allen genannten Zeugen äußern.“ Bisher würden vor allem schriftliche und anonymisierte Zeugenaussagen vorliegen, der Staatsanwalt ist aber dabei, Zeugen persönlich zu befragen.