Ohne Kohlenhydrate geht es nicht
Am vergangenen Montag habe ich an einer für mich sehr spannenden Fortbildung teilgenommen. Das Thema lautete: Erstellung von sportartspezifischen Ernährungsplänen. Bevor Sie mich nun als Freak abstempeln: Ich habe nicht voller Freude berechnet, was ein Kugelstoßer im Gegensatz zu einer Ballerina essen darf. Was für mich wichtig war, ist die sogenannte Evidenz.
Der Duden beschreibt Evidenz als unumstößliche Tatsache, faktische Gegebenheit. So arbeiten wir in der Medizin, deshalb auch die Abkürzung EbM, evidenzbasierte Medizin. Um sich nach etwas richten zu können, gibt es die Evidenzstufen A bis D. A bedeutet: Es ist unwahrscheinlich, dass weitere Forschungsarbeiten unser Vertrauen in die Richtigkeit unserer Aussagen erschüttern werden. D bedeutet: Alle Aussagen sind mit einer großen Ungewissheit behaftet.
Vorsicht vor Internet
Was man im Internet und hier vor allem in den sozialen Medien über richtige Ernährung findet, entspricht ungefähr der Evidenzstufe M. Und die Sporternährung Y. So war ich froh, wissenschaftlich fundierte Informationen zu erhalten. In diesem Fall heißt das, dass Studien mit vielen Personen durchgeführt wurden, welche über einen längeren Zeitraum beobachtet wurden. Die Ergebnisse sind reproduzierbar.
Damit ist zwar der Level A noch immer nicht erreicht, aber es ist immerhin deutlich besser als Überlieferungen in „Stiller Post“-Manier oder mit Photoshop veränderte Vorher-Nachher-„Beweise“.
In der Wissenschaft wird zum Beispiel nicht mit Kilokalorien gerechnet, sondern mit den Nährstoffen pro Kilogramm Körpergewicht. Kohlenhydrate werden nicht prinzipiell verteufelt, wurde doch nachgewiesen, dass Muskeleiweiß nicht ohne diese aufgebaut werden kann. Bei meiner Fortbildung haben wir nach diesen Regeln geübt, Ernährungspläne für verschiedene Personen zu schreiben. Junge, Alte, Frauen, Männer, Veganer und „Fleischfresser“, Über- und Untergewichtige, Kraft- und Ausdauersportler, Pläne für die Vorwettkampfphase, während des Rennens und so weiter.
Kohlehydrate
Was mich wirklich verwundert hat, war tatsächlich die Menge der Kohlehydrate. Während man die benötigte Eiweißmenge selbst für junge männliche Kraftsportler, die Gewicht zulegen möchten, recht rasch in mehreren Mahlzeiten unterbringt, haben uns bei den Kohlehydraten die Köpfe geraucht. Natürlich würde man zum Beispiel mit Schokolade rasch ans Ziel kommen, allerdings gibt es ja auch eine Fettmenge zu bedenken. Und so haben wir mit Haferflocken, Reis und Mehrkornbrot jongliert, bis die Zusammensetzung gepasst hat. Um realistisch zu bleiben, haben wir auch den Geschmack überdacht und festgestellt, dass niemand von uns Lust auf mehrere süße Mahlzeiten täglich hat.
Muskelmasse
Bevor ich Sie langweile: Selbst, wenn Sie Gewicht abnehmen möchten, benötigen Sie zwischen 2,6 und fünf Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht. Überschlagmäßig kommt da ein Berg Nudeln heraus, oder? Je nachdem, wie oft und viel Sie sporteln, können Sie die Kohlenhydrate rund ums Training positionieren, dann haben Sie Kraft und Energie fürs Training und verbrennen in der restlichen Zeit Fett. Um Ihre Muskelmasse erhalten zu können, sollten Sie übrigens 1,5 bis maximal zwei Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zuführen.
Minimahlzeit
Und wenn Sie sich davon noch ungefähr 20 Gramm für eine Minimahlzeit vor dem Schlafengehen abzweigen, sind Sie schon ein Profi. Beim Fett reichen Ihnen schon 0,8 bis ein Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Das klingt nach einer verschwindend kleinen Menge, oder? Ich kann jedoch Entwarnung geben. Verzichten Sie auf Chips, Schoko und Co, können Sie Ihr Fleisch weiterhin anbraten und sich auch hin und wieder etwas Süßes gönnen, denn wie habe ich kürzlich gelesen: Ohne Kuchen würde Dunkelheit und Chaos herrschen!
Silke Kranz ist Ernährungs- und Sportmedizinerin und Ärztin für Allgemeinmedizin in Bad Zell.