Masern-Impfung: Belohnen statt strafen
Die derzeit in Österreich offenbar vorhandene Häufung von Masern-Erkrankungen lässt nicht nur die Alarmglocken läuten, sondern fordert alle, die an einem funktionierenden Gesundheitssystem interessiert sind, zum Nachdenken auf. Die Erkrankung ist nicht ungefährlich, von vielen Komplikationen begleitet und kann in seltenen Fällen sogar zum Tode führen. Sie ist aber vermeidbar, durch zwei sehr sichere in Österreich kostenlos angebotene Impfungen. Warum führen diese Fakten nicht dazu, dass möglichst viele Kinder (an die 95 % sollten geimpft sein, um Ausbreitungen verhindern zu können) vor dieser Erkrankung geschützt sind? Informationen alleine nützen offenbar nicht genügend. Warum nützt man den viel diskutierten Mutter-Kind-Pass (besser Jugendgesundheitspass), und die im ersten Lebensjahr vorgesehenen Untersuchungen, für deren Absolvierung es eine Prämie gibt, nicht auch für Impfungen, für die es auch eine Prämie geben könnte? Eine Impfpflicht, die es in Deutschland für die Masernimpfung gibt, dürfte man in Österreich gar nicht diskutieren. Aber Incentives, die das Gesundheitsverhalten beeinflussen können, sollten doch ein Thema der Gesundheitspolitik sein.
Dies trifft analog auch auf die Gewichtsentwicklung zu. Wäre es ein schlechter Gedanke, Kinder und Jugendliche, die regelmäßig ihr Gewicht in Relation zum Alter und zur Größe kontrollieren lassen, in einer adäquaten Weise, zu belohnen? Viele wissenschaftliche Daten deuten darauf hin, dass durch ein – wie immer geartetes Belohnungssystem – das Verhalten beeinflusst werden kann. Damit könnte man viele schwere Folgeerkrankungen, wie z. B. Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen, vermeiden und allen Menschen mehr gesunde Lebensjahre gönnen.
Dazu gibt es schon einige Beispiele, wie z. B. eine Belohnung (in welcher Art auch immer) für die Absolvierung von Vorsorgeuntersuchungen (SVS), regelmäßigen Blutdruckkontrollen, Cholesterintests, Tests auf sogenannten Langzeitzucker (HbAic) etc.
Das Bewusstsein, dass man heute Erkrankungen, Stoffwechselstörungen etc., die noch keine sichtbaren Symptome machen, durch Labor- oder bildgebende Techniken im Frühstadium entdeckt werden kann, ist hierzulande sehr gering ausgeprägt. So wussten ca. 80 % der Probanden eines von einer großen Bank durchgeführten Präventionsprojektes über die Risken von deutlich erhöhten Blutcholesterinwerten nicht Bescheid, obwohl in den meisten Familien frühzeitige Herzinfarkte, Schlaganfälle bekannt waren. Die viel zitierte Gesundheitskompetenz ist sicher Voraussetzung, aber alleine nicht ausreichend, um das Gesundheitsverhalten nachhaltig zu beeinflussen. Es muss niemand in der Gesundheitspolitik Angst vor Anreizen haben.
Kurt Widhalm ist Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, emeritierter Univ.-Prof. für Ernährungsmedizin und Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin