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Einer der ersten Gartenzwerge war Nordafrikaner – in Anatolien

Er gilt vielen als Sinnbild für mitteleuropäische Kleinbürgerlichkeit, anderen als ein Verteidiger abendländischer Werte. Er darf jedenfalls in keiner österreichischen Kleingartenanlage fehlen. Und dann das! Der deutsche Soziologe Hans Werner Prahl hat nachgeforscht und herausgefunden, dass der Gartenzwerg ursprünglich gar keiner „von uns“ war.

Sagen wir es so deutlich, wie es ist: einer der ersten Gartenzwerge war ein Arbeitsmigrant, ein frühzeitlicher Gastarbeiter. Zwergenfiguren gab es schon im alten Ägypten. Später tauchten sie im Osten Anatoliens auf.

Afrikanische Pygmäen als Sklaven

In den dortigen Bergwerken, weiß Soziologe Prahl, wurden zahlreiche Sklaven aus Nordafrika ausgebeutet, vornehmlich Pygmäen. Immerhin brachte ihnen die Mehrheitsgesellschaft ein Mindestmaß an Wertschätzung entgegen: Um ihre scheinbar übernatürlichen Kräfte im Bergbau darzustellen, formten die Anatolier kleine Tonfiguren.

Was für ein Schlag ins Gesicht der Heimattümler! Was für eine Freude für all jene, die den Mix an Kulturen als Bereicherung empfinden. Auch die rote Mütze des Gartenzwergs wurde übrigens nicht von Hiesigen ersonnen. Sie verweist auf den orientalischen Stammbaum.

Über die Mittelmeerroute

Italienische Kaufleute, die im Mittelalter die Fernhandelsstraßen des Mittelmeers beherrschten, brachten die Zwergenfiguren nach Italien, wo sie bald in Adelshäusern oder Parkanlagen Verwendung fanden. Um 1500 wandert der Gartenzwerg über Österreichs heutige Südgrenze und findet diesseits der Alpen Eingang in die Barockzeit.

Heute genießt der kulturelle Einwanderer nicht überall Sympathien. So gibt es Kleingärtner, die das Geschenk eines Gartenzwergs als grobe Ehrenbeleidigung werten. Andere finden einen Zwerg oder eine ganze Zwergenkolonie in ihrem Garten süß und erfreuen sich – dank Globalisierung – an einer unüberschaubaren Vielzahl an Darstellungsformen.

Ein Verkaufsschlager

Keine Verkaufstelle für Kleingärtner, die den Pygmäen aus Plastik oder Ton nicht im Sortiment führt. Der Gartenzwerg ist quasi die Speerspitze der aktuellen Hochkonjunktur: Soeben wurde bekannt, dass die Gartencenter und Baumärkte die größten Gewinner des heimischen Handels in den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 sind.

Bleibt noch die Frage, ob der Gartenzwerg ein Symbol der Abgrenzung oder der Willkommenskultur ist. Türkischstämmige Kleingärtner sind bisher in Wien eher die Ausnahme.