Warum Gebrauchtwagen derzeit so gefragt sind
Von Andrea Hlinka
„Es gibt zur Zeit in Österreich eine Million potenzielle Neuwagenkunden weniger. Eine halbe Million Arbeitslose und eine halbe Million in Kurzarbeit“, sagt Klaus Edelsbrunner, Obmann der Sparte Fahrzeughandel in der Wirtschaftskammer (WKO), und selbst Autohändler. Die Pandemie, sie hat auch die Autobranche stark verändert. Eine ihrer Folgen: Die Menschen investieren seltener in ein neues Auto, sondern begnügen sich mit einem Gebrauchten. Zudem kaufen sich auch jene ein Auto, die zuvor keines wollten. Sei es, um auf Urlaub fahren zu können oder um die öffentlichen Verkehrsmittel zu meiden.
Dadurch ist die Nachfrage nach Gebrauchten seit vergangenem Jahr ungebrochen hoch, wie die Zulassungsstatistik zeigt: Zwischen Jänner und März 2021 wurden 214.133 Gebrauchtwagen zugelassen. Um rund 24 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2020. Hingegen läuft der Neuwagenmarkt weiterhin schwach: Im ersten Quartal 2021 wurden 63.522 Pkw neu zugelassen. (2020: 54.680).
Zu wenige Gebrauchte
Besonders begehrt sind, so Spartenobmann Klaus Edelsbrunner, Jahreswagen und junge Gebrauchtwagen, die zwischen einem Jahr und drei Jahren alt sind. Gekauft werden alle Marken. „Es gibt für jeden Topf einen Deckel. Es ist eine Frage, ob man ihn zum richtigen Preis anbietet“, sagt Gernot Keusch, Geschäftsführer und Eigentümer von Auto Stahl. Laut einer Auswertung von AutoScout24 lagen die Gebrauchtwagenpreise in Österreich 2020 bei durchschnittlich 20.279 Euro, um 0,8 Prozent höher als noch 2019.
Das Problem ist, es fehlt an Ware, und zwar europaweit. Da seit Anfang 2020 weniger Neuwagen verkauft wurden, kommen auch keine Gebrauchten zurück. Gernot Keusch: „Wir bekommen kaum Gebrauchtwagen. Aber die, die wir bekommen, verkaufen wir gut.“ Auch Klaus Edelsbrunner berichtet davon: „Es gibt keine Standzeiten.“ Die meisten Gebrauchten würden verkauft werden, noch bevor sie offiziell auf dem Platz stehen. „Wenn man fünf Leute auf einer Interessentenliste vermerkt hat und man die durchruft, sobald das Modell da ist, kauft im Schnitt der Zweite das Fahrzeug.“
Worauf zu achten ist
Beim Kauf eines Gebrauchten kann es schnell zu bösen Überraschungen kommen. Hier sind einige Tipps, um das zu vermeiden:
- Nicht unter Druck setzen lassen
- Lückenlose Fahrzeugdokumention beachten (Serviceheft, ÖAMTC-Prüfbericht etc.)
- Das Auto bei gutem Licht und gewaschen besichtigen, denn so sind Schäden an der Karosserie besser zu sehen
- Auch einen Blick unter das Auto werfen und z. B. auf Öl am Boden achten
- Das Auto ausgiebig Probe fahren, auch auf unebener Fahrbahn und am besten als Beifahrer (mit FFP2-Maske natürlich) und als Fahrer
- Während der Probefahrt auf unübliche Geräusche achten
Engpässe bei den Neuen
Dass die Nachfrage nach Gebrauchten rasch abnimmt, ist nicht zu erwarten. Denn es mangelt nicht nur in Folge der Pandemie an Neuwagen – und dadurch an Gebrauchten. Der weltweite Halbleitermangel verlangsamt die Automobilproduktion seit Monaten und schafft Lieferengpässe. „Die Leute müssen bis zu vier Monate auf ihr neues Auto warten, egal auf welches Modell. Dann weichen sie lieber auf einen jungen Gebrauchten aus“, sagt Klaus Edelsbrunner. Mit einer nachhaltigen Lösung ist in naher Zukunft nicht zu rechnen, meint der deutsche Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer.
Gebrauchte E-Autos
2020 wurden in Europa 1,4 Millionen Elektroautos neu zugelassen. Das sind mehr als in jeder anderen Weltregion. In Österreich waren es 15.972. Damit sind auch die ersten gebrauchten Elektroautos verfügbar. „Sie werden gut nachgefragt“, sagt Edelsbrunner. Sorgen wegen der Batteriehaltbarkeit müssten sich die Menschen nicht machen. Es gebe darauf lange Herstellergarantie.
Autos mit wenigen Mängeln
Die Autos (bis zu drei Jahre) mit der niedrigsten Mängelquote sind laut TÜV-Report 2021:
1. Mercedes GLC
2. Mercedes B-Klasse/Opel Insignia/Porsche 911 Carrera
3. Mercedes SLC
4. Audi Q2
5. Hyundai i30
Autos mit vielen Mängeln
1. Dacia Duster
2. Dacia Lodgy
3. Fiat Punto
4. Ford Galaxy
5. Dacia Logan
Die häufigsten Mängel
1. Abblendlicht
2. Beleuchtung hinten
3. Ölverlust Motor
4. Antrieb
5. Achsaufhängung
6. Beleuchtung vorn