Polestar-Chef: „Wir wollen kein typischer Massenproduzent werden“
Die 2017 gegründete Premium-Elektroautomarke Polestar – eine Tochter des schwedischen Autobauers Volvo und dessen chinesischer Mutter Geely – strebt den Gang an die US-Techbörse Nasdaq an. Derzeit sind die Fahrzeuge in 14 Ländern erhältlich, seit Kurzem auch in Österreich (Schauraum in der Wiener Innenstadt). Seit Anfang Oktober ist der Polestar 2 ab 47.900 Euro online bestellbar und als vorkonfiguriertes Fahrzeug innerhalb von drei Wochen zu einem Preis von 55.000 Euro lieferbar. Im Motor.at-Interview spricht Firmenchef Thomas Ingenlath über die Marktchancen des Unternehmens.
KURIER: Wann konkret findet der Börsegang statt?
Thomas Ingenlath: Es gibt noch kein konkretes Datum, nach Abschluss aller Formalitäten irgendwann im ersten Halbjahr 2022.
Die Märkte sind derzeit etwas unruhig, zahlreiche Börsegänge werden kurz vor Realisierung abgesagt. Wieso glauben Sie, dass es bei Ihnen klappt?
Wir haben das ganze Projekt begonnen, um es auch zu beenden, das ist unser Ziel. Wir sind absolut zuversichtlich, es durchzuziehen.
Wo liegen die Wachstumsfantasien für die Investoren?
Unsere Wachstumspläne basieren auf drei Bereichen: Erstens unser Produktportfolio, das in den nächsten drei Jahren drei neue Fahrzeuge vorsieht. Das ist ein sehr realistisches Szenario. An diesen Fahrzeugen arbeiten wir schon lange Zeit und sie befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Der für nächstes Jahr geplante SUV absolviert bereits Crashtests. Der Preis wird in der Bandbreite von rund 80.000 bis 110.000 Euro liegen.
Was sind die anderen beiden Punkte?
Der zweite Bereich ist der Markt. Wir expandieren in Europa, etwa neben Österreich auch nach Finnland oder Dänemark. Nächstes Jahr kommen zahlreiche weitere dazu. Wir haben in den USA heuer 20 neue Verkaufsstellen eröffnet. Und natürlich auch in Asien-Pazifik, wie Südkorea oder Australien. Der Ausbau ist Teil unserer täglichen Arbeit und keine Fantasie. Das soll natürlich Absatz und Umsatz beschleunigen. Und drittens investieren wir in Forschung und Entwicklung für Projekte nach 2025, wobei wir besonderes Augenmerk auf Nachhaltigkeit legen. Bis 2030 wollen wir einen klimaneutralen Polestar produzieren.
Der direkte Mitbewerber Tesla gilt als überbewertet. Polestar wird mit knapp 17 Mrd. Euro bewertet. Ist das symptomatisch für die Branche, sprich sind die Wachstumshoffnungen zu hoch gegriffen?
Der Markt bewertet es so. Das ist eine simple Reaktion, was Fakt ist. Und Faktum ist, dass die Branche einem sehr massiven Wandel unterzogen ist. Das Zeitalter des Verbrennungsmotors neigt sich nach 100 Jahren dem Ende entgegen Richtung Elektroantrieb. Wir haben auch einen dramatischen Wandel, wie Autos verkauft werden. Und der Wandel endet nicht mit der Elektrifizierung. Was zählt ist, dass unser Unternehmen diese Aspekte im Fokus hat. Der Börsegang hilft uns, diese Ziele zu erreichen.
2025 wollen Sie rund 290.000 Wagen im Jahr verkaufen. Wo sollen diese hergestellt werden?
Wir produzieren sie in bestehenden Fabriken von Volvo und Geely, derzeit in zwei Fabriken in China. Polestar 3 wird zudem auch in Charleston in den USA produziert. Wir können in Zukunft auch Autos in Europa herstellen. Aber wir werden nicht zwingend eigene Fabriken haben. Wir suchen also Synergien in der Gruppe.
290.000 Einheiten klingt nach viel, ist aber im Vergleich mit den Branchengrößen wenig. Werden diese Polestar bald einmal mit ihrer Marktmacht überrollen?
Wir wollen kein typischer Massenproduzent werden. Wir sind definitiv im Luxus-Premiumsegment tätig. Wir haben einen realistischen Ansatz, was möglich ist. Dennoch ist Polestar 2 für einen sehr erschwinglichen Preis verfügbar. Wir sind kein Nischenunternehmen mehr und 290.000 Stück sind eine Größenordnung, um nachhaltig profitabel zu sein.
Wie sehr leidet Polestar unter den Rohstoffpreisen und dem Chipmangel?
Die Situation ist herausfordernd, man muss sehr aktiv sein, um die nötigen Teile kurzfristig zu besorgen. Die Planbarkeit ging früher über Monate, jetzt sind es Wochen. Man muss sehr flexibel sein, auch was die möglichen Produktionsziele betrifft. Die Einschränkungen werden uns auch im nächsten Jahr begleiten, wir hoffen aber auf Normalität 2023. Bisher konnten wir die Produktion aber aufrechterhalten und komplette Shutdowns verhindern.
Thomas Ingenlath
Nach seinem Designstudium begann der heute 57-jährige Deutsche zunächst bei Audi, dann bei VW und wurde im Jahr 2000 Chefdesigner von Skoda. Sechs Jahre später wurde er Direktor des Volkswagen Design Center und betreute alle Marken des Konzerns. 2012 wurde er Chief Design Officer bei Volvo und 2017 Chef von Polestar
Polestar
2010 übernahm Chinas Autokonzern Geely die schwedische Marke Volvo. Beide steckten bis dato 640 Mio. Euro in die Tochter. Zu wenig für die Expansion. Daher brachten Investoren aus China und Südkorea im April weitere 550 Mio. Dollar ein. Im Vorjahr lieferte Polestar nur rund 10.000 Autos aus