Harley-Davidson FXLRS Low Rider S: Flotte Auferstehung
Bereits 2016 stand die erste Generation der „Low Rider S“ mit Typenkürzel FXDLS in den Harley-Schauräumen. Als Mitglied der einstigen Dyna-Familie war der potenten „Schubkarre“ mit 97 PS und 156 Newtonmetern trotz großer Nachfrage jedoch ein nur kurzes Leben vergönnt: Die Modellreihe wurde 2018 von Harley ersatzlos gestrichen.
Jetzt kehrt die Low Rider S als sportliche Speerspitze der Softail-Familie in die Produktpalette zurück. Die markanten Stereofederbeine der Dyna-Generation wurden beim neuen, FXLRS getauften Softail-Modell gegen ein unter der Sitzbank verstecktes Monofederbein getauscht.
Doch das ist längst nicht alles: trotz Namensgleichheit handelt es sich bei der neuen Low Rider S um ein von Grund auf neu konzeptioniertes Modell – kaum ein Teil ist mit der Vorgängerin baugleich. Statt des einstigen Zweiventilers kommt nun der moderne „Milwaukee-Eight“ Vierventil-V-Twin mit potenten 114 Kubikinch (1.868 ccm), Doppelzündung und zwei Ausgleichswellen zum Einsatz. Das neue, vibrationsarme Aggregat leistet 93 PS und 155 Newtonmeter.
Zugunsten gesetzeskonformer Emissionswerte muss man im Vergleich zur ungestümen Vorgängerin also minimale Krafteinbußen in Kauf nehmen. Für quietschende Kavalierstarts ist der neue Power-Cruiser in minimalistischem, schwarzem „Coastal Look“ (inspiriert von den Customizing-Trends an der US-Westküste) dennoch jederzeit muskulös genug.
Neue Geometrie
Eine deutlich steilere Gabel garantiert trotz fahrfertig 308 Kilo Fahrzeuggewicht unerwartete Wendigkeit – deutliche Lenkimpulse vorausgesetzt. Flüssige Schräglagenwechsel klappen ohne Kraftakt am Lenker. Der straffe Solo-Sitz ist nur 690 Millimeter über dem Boden montiert, die Fußraster sind mittig und höher platziert. Der breite, Motocross-typisch gekröpfte Lenker klemmt in rund zehn Zentimeter hohen Risern.
Daraus resultiert eine vorderradorientierte, angriffslustige aber in Sachen Komfort eher gewöhnungsbedürftige Haltung. Der Rücken ist sanft nach vorne geneigt, die Arme sind gerade ausgestreckt und die Beine stark angewinkelt – okay für flotte Feierabend-Runden, weniger für stundenlanges Cruisen.
Schräglagenfreiheit
Den sportlichen Charakter unterstreicht auch die für Cruiser-Verhältnisse äußerst üppige Schräglagenfreiheit der Fußrasteranlage. Höchstens bei beherztem Tempo in engen Serpentinen schraddeln die Fußstützen sanft über den Asphalt.
Kurvenwunder darf man sich von der Low Rider S dennoch nicht erwarten: Kernkompetenz eines waschechten Power-Cruisers ist nun mal Spurstabilität, nicht Agilität. Die knackige Abstimmung der Fahrwerkskomponenten unterstreicht ebenfalls den dynamischen Auftritt, ohne sich dabei als allzu unkomfortabel zu erweisen.
Auch sonst haben die US-Amerikaner einen gelungenen Kompromiss zwischen sportlicher Coolness und hoher Alltagstauglichkeit gefunden: Der Milwaukee-Eight 114 hängt lastwechselfrei am Gas und brilliert mit mächtigem Drehmoment und spontanem Ansprechverhalten. Getriebe und Kupplung arbeiten butterweich und präzise. Auch an der vehementen Bisskraft der Front-Doppelscheibenbremse gibt es nichts zu bekritteln. So kann die Low Rider S selbst bei zügigen Ausfahrten konventionellen Sportbikes Paroli bieten.
Dass man um satte 23.695 Euro abgesehen vom obligatorischen ABS auf moderne Assistenzsysteme verzichten muss, bleibt dennoch ein Wermutstropfen. Zumindest im markeninternen Vergleich geht die Preisgestaltung der Low Rider S jedoch in Ordnung: neben der exakt gleich teuren Fat Bob 114 bietet sie momentan die günstigste Möglichkeit, eine Harley mit potentem 114 Kubikinch-V-Twin sein Eigen zu nennen.