Das Auto fährt, wir schauen zu: erste Ausfahrt mit dem selbstfahrenden Mercedes
Von Michael Andrusio
Der elektrische Mercedes EQS könnte mit seinen 265 kW natürlich deutlich schneller fahren. Dennoch ordnen wir uns auf der rechten Spur bei den Lkw ein. Warum? Weil wir dann dem Auto das vollständig das Fahren überlassen können und autonom unterwegs sind.
Wir testen - im Straßenverkehr, in Berlin, den selbstfahrenden Mercedes EQS, der nach Level 3 schon sehr viel selbst macht.
Auto fährt, wir schauen zu
Bis maximal 95 km/h kann der sogenannte Drive Pilot bei Mercedes jetzt schon autonom fahren und das System braucht ein Fahrzeug vor sich, um zu arbeiten. Und man muss dabei auf der rechten Spur unterwegs sein. Die Lkw auf der Autobahn südlich von Berlin kommen uns also gerade recht.
Eine Taste im Lenkrad aktiviert den Drive Pilot, wenn ein Licht weiß leuchtet, heißt das, dass das System einsatzbereit ist. Ist es aktiv, leuchtet die entsprechende Anzeige türkis. Und dann kann man den Fuß vom Gas- bzw. Fahrpedal nehmen, das Lenkrad loslassen und sich anderen Tätigkeiten widmen. Der Drive Pilot bietet autonomes Fahren nach Level 3 – das heißt, der Fahrer kann die Augen auch vom Verkehrsgeschehen abwenden. So überlässt man dem Auto das Fahren, kann am Smartphone surfen, den Laptop auspacken, Zeitung lesen oder am großen Display des EQS einen Film anschauen. All das wird von der Überwachungssenorik toleriert. Was nicht durchgeht, ist, wenn man die Augen zumacht und ein Nickerchen macht. Dann würde sich das System deaktivieren.
Der Mercedes funktioniert auch, wenn ein Zubringer rechts in die Autobahn einmündet. Die Autos, die sich einordnen wollen, werden vom Mercedes-System höflich reingelassen. Schaltet das System ab, wird es über ein Umspringen der Leuchten auf Rot und ein Ruckeln am Lenkrad kundgetan und der Fahrer hat noch rund genug Zeit, wieder die Kontrolle zu übernehmen.
Wichtige Systeme wie Lenkung, Bremsen sowie Bordnetz sind aus Sicherheitsgründen redundant, also mehrfach vorhanden. Kamera-, Radar-, Ultraschallsensoren sowie ein LiDAR erfassen die Umgebungsdaten, die im Fahrzeug in Echtzeit berechnet werden. Dank eines hochpräzisen Positionierungssystems kann das System seinen exakten Standort sogar bis auf wenige Zentimeter genau ermitteln. Wichtig für das Funktionieren von Drive Pilot ist eine digitale HD-Karte, die ein dreidimensionales Straßen- und Umgebungsbild liefert.
Wann der Mercedes verweigert
Es gibt freilich auch noch Situationen, in den Drive Pilot trotzdem nicht arbeitet. In der Nacht bzw. in der Dämmerung ist es ebenso wenig verfügbar, wie bei schwerem Regen oder Temperaturen unter 4 Grad.
Das autonom fahrende Auto sollte auch anderen Verkehrsteilnehmern signalisieren, dass hier das Auto selbsttätig fährt. Mercedes hat dafür spezielle türkisfarbene Markierungslichter in den Front- und Heckleuchten entwickelt.
Vorerst wird Mercedes Drive Pilot nur für die Luxuslimousinen S-Klasse bzw. EQS anbieten. Kostenpunkt: 5.950 Euro. . Das System soll ab Anfang nächsten Jahres für den deutschen Markt zu haben sein. Natürlich hat man bei Mercedes Pläne, es auf weiteren Märkten anzubieten. Dazu muss man es aber an die regionalen Vorschriften anpassen und vor allem braucht man die entsprechenden HD-Karten.
Es ist das derzeit schnellste Level-3-System in einem Serienfahrzeug, erklärt man bei Mercedes stolz. Und auch bei den 95 km/h wird es nicht bleiben. Bis Ende des Jahrzehnts will man 130 km/h schrittweise erreichen.