Mama mobil: Im Nightjet-Schlafwagen mit Kindern. Cozy oder crazy?
"Kein Stau, kein Stress. Nach der Zugfahrt erreichen Sie ihr Ziel am Morgen ausgeruht und entspannt. Ideal für City-Trips und Urlaubsreisen ohne die Strapazen einer anstrengenden Autofahrt. Denn wer den Nightjet nimmt, für den beginnt der Urlaub schon bei der Anreise." So lautet der Werbetext. Wie die Realität aussieht, wollen wir ausprobieren.
Schneller als das Auto werden wir jedenfalls unterwegs sein. Vor die Nightjet Züge spannt man in Österreich nämlich meist Lokomotiven vom Typ Taurus. Die Elektrolokomotiven aus dem Hause Siemens haben eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h, bei den Nightjets werden 200 km/h erreicht. Da müsste man das Gas-Pedal doch kräftig durchdrücken.
Das Test-Team besteht aus einer Mutter, zwei Kindern, zwei Koffern, einem klappbaren Kinderwagen und einer Handtasche. Zug Graz - Zürich, Autotransport möglich - klingt alles gut. Nur die Abfahrtszeit, 22.45 Uhr, ist wirklich kinderunfreundlich: Die Kindern sind natürlich schon vorab eingeschlafen, müssen in einem halbtranceartigen Zustand zum Zug gebracht - oder besser gesagt geschleppt - werden. Man wünscht sich als Mutter wieder einmal einen dritten Arm. Aber die größte Herausforderung des Nightjet, sie kommt noch.
Nett ist, dass Kinder bis 5 Jahre gratis fahren, wenn sie den Platz mit einem Erwachsenen teilen. Wenn sie einen eigenen Schlafplatz brauchen, können sie mit dem Ticket "Kind" inklusive Platzreservierung reisen. Für Familien besonders geeignet ist ein Privatabteil. "Für maximalen Komfort", so rät die ÖBB auf ihrer Homepage, "buchen Sie einfach Ihr eigenes Schlafwagen-Abteil." Das haben wir getan und gleich feststellen müssen, dass das Autofahren deutlich billiger gekommen wäre. Zwei Betten, eine Sitzgelegenheit, ein kleines Waschbecken fallen auf, als wir recht verschlafen in das Abteil stolpern.
Als alles - Kinder, Koffer und Klappwagen - verstaut sind, kommt sie, die Herausforderung: Das Klo. Ein Kind muss, das andere nicht. Ein Kind allein im Abteil lassen? Keine Option. Mit zwei Kindern in ein - weder besonders sauberes noch besonders großes - Zugklo? Auch nicht das, was man entspannt Reisen nennt. Erfreut sind die Kinder nicht. Es stinkt. Und hagelt Anweisungen: Nur ja nichts berühren! Luft anhalten! Und durch! Kommandos mit etwas Schärfe in der Stimme kommen mitten in der Nacht wenig gut an.
Dass dann der Schaffner vorbeikommt und Frühstück bestellt werden kann, versöhnt. Gemeinsam lesen und kreuzeln wir an: Kakao, Semmerl, Honig oder Marmelade? Für die Kleinen ist es spätnachts, das Entscheiden fällt schwer. Aber schließlich ist es geschafft und wir drängen uns zu dritt in das untere Bett. Das obere scheint den Kindern, und auch mir, zu gefährlich.
Als endlich alle langsam die Auge schließen, reißt uns das Handy wieder in die Höhe. Der Papa ruft an, um zu fragen ob alle geklappt hat. Bad Timing ist alles, oder?
Irgendwann wird es ruhig im Abteil. Zwei Mann schlafen, Mama wacht. Wechsel hinauf ins obere Bett und dann wieder auf den Boden neben die Kinder. Entspannte Ruhe ist nicht zu finden, auch innerlich ist sie abhanden gekommen. Es ruckelt und ruckt, es ist mitunter sehr laut. Die Kinder scheint das nicht zu stören. Kurze, willkommene Schlafphasen…
Als das Frühstück dann kommt, sind die Kinder wach und freuen sich über das Essens-Tablett, die kleinen Butter-Packerl und den See, der glitzernd am Zugfenster vorbeizieht. Mama ist gerädert und würde sich über mehr - und auch etwas besseren - Kaffee freuen.
Ob man mit der Bahnreise Nerven gespart hat? Nicht wirklich. Aber man hat vielleicht andere Nerven strapaziert, als bei einer langen Autofahrt. Gemeinsam ist beiden Reisearten, dass man sich danach nach einer Dusche und einem gemütlichen Ausruh-Tag freut. (Den man als Mutter aber ohnehin nie bekommt.) Was feststeht: Ein Abenteuer war es. Und das kleine "Wir haben es geschafft Gefühl", es bleibt. Nachmachen also dennoch empfohlen.
Teresa Richter-Trummer ist eigentlich am liebsten mit eBike oder Vespa unterwegs - fährt Hund und Kindern zu Liebe aber gerne auch Auto und Zug. Für größere Partien darf sie sogar ans LKW-Steuer. Gerne würde sie Motorboote lenken, aber das kommt erst.
Haben Sie Fragen zur Mobilität mit Kindern? Die Motor-Journalistin ist studierte Entwicklungs-Psychologin und geht gerne darauf ein. teresa.richter-trummer@kurier.at