Motor

Autonomes Fahren: Wie reagiert der Mensch, wenn die Technik versagt?

Wir hatten erst vor Kurzem die Gelegenheit, ein Auto, das nach dem Level 3 autonom fahren kann, zu testen. Dabei kann man dem Fahrzeug tatsächlich das Fahren überlassen und - was entscheidend bei Level 3 ist - der Fahrer kann sich anderen Tätigkeiten widmen (wie Videoschauen, sich mit dem Smartphone beschäftigen, etc.).

Der Fahrer muss aber nach wie vor in der Lage sein - nachdem das Auto eine entsprechende Warnmeldung abgesetzt hat - wieder die volle Kontrolle zu übernehmen.

Die Auswirkungen von Übernahmeaufforderungen bei unzutreffenden Informationen im Display stehen im Fokus einer Studie, die DEKRA und der Lehrstuhl für Ingenieurpsychologie der TU Dresden im Rahmen eines Kooperationsprojekts am DEKRA Lausitzring durchgeführt haben. Denn was passiert, wenn die Informationskette fehleranfällig ist und infolge unzureichender Systemzuverlässigkeit keine validen Daten übertragen werden?

Die 19 weiblichen und 30 männlichen Personen waren im Alter von 18 bis 56 Jahren, besaßen ihre Fahrerlaubnis im Schnitt seit neun Jahren und hatten vorab noch keine Erfahrungen mit hochautomatisierten Fahrzeugen gemacht. Die Teilnehmer blieben im Glauben, dass das bereits werkseitig mit einer Vielzahl von Umfeldsensoren ausgestattete und nachträglich um weitere Sensoren ergänzte Testfahrzeug eigenständig fuhr, die Fahrzeugsteuerung und Einleitung kritischer Übernahmeszenarien erfolgte jedoch manuell durch einen ausgebildeten DEKRA Sicherheitsfahrer auf dem Beifahrersitz über einen Joystick. Die Ausstattung des Versuchsfahrzeugs mit einer halbhohen Trennwand zwischen den Vordersitzen verhinderte, dass die Versuchsperson diese Steuerung bemerkte.

Während der Testfahrten erlebten die Probanden nach mehreren durchfahrenen Runden ohne besondere Vorkommnisse entweder einen „falschen Alarm“ ohne erkennbaren Anlass oder eine im Cockpit-Display durch die Warnung „Sensorstörung“ angezeigte nachvollziehbare Übernahmeaufforderung. Nach einigen weiteren Minuten störungsfreier Fahrt wurde ein „stiller Fehler“ simuliert – das Fahrzeug driftete langsam in die Gegenfahrbahn ohne vorherige Systemwarnung durch das Cockpit-Display. Während der Fahrt beschäftigten sich die Probanden – wie es in einem hochautomatisierten Fahrzeug im Level-3-Modus erlaubt ist – mit einer selbstgewählten Nebentätigkeit wie zum Beispiel dem Bearbeiten von E-Mails oder dem Lesen eines Buches.

Ergebnisse

Der „falsche Alarm“ löste eine verstärkte Überwachung des Fahrgeschehens aus – verbunden mit der Abwendung von der Nebenaufgabe. Dies ließ sich an einem höheren prozentualen Anteil der Blickdauer auf die für die Fahrzeugsteuerung relevanten Bereiche im Inneren des Fahrzeugs sowie auf die Verkehrsumgebung ablesen. Der „stille Fehler“ führte zu einer weiteren Zunahme der Überwachung der Fahraufgabe auf 54 Prozent. „Das Erleben einer Übernahmeaufforderung reduziert also den Fahrkomfort, denn die Hinwendung zu einer Nebenbeschäftigung nimmt ab und die Fahrerin oder der Fahrer widmen sich der traditionellen Überwachung des Verkehrsraums vor dem Fahrzeug“, so DEKRA Verkehrspsychologe Thomas Wagner.

Die Übernahmeleistung bei Auftreten eines „stillen Fehlers“ war beim Versuch schlecht. Keine Versuchsperson konnte die Fahrzeugkontrolle rechtzeitig und sicher übernehmen. Gerade einmal sechs Probanden gelang es, das Fahrzeug zwar etwas zu spät, aber noch erfolgreich zu übernehmen. Dabei war das Fahrzeug schon zu Teilen auf der Gegenfahrbahn, das komplette Abkommen ließ sich gerade noch verhindern. 40 Probanden haben entweder zu spät übernommen oder gar nicht auf das Abdriften des Fahrzeugs auf die Gegenfahrbahn reagiert. 
 
Die Übernahmeleistung bei nachvollziehbarer Aufforderung fiel dagegen deutlich besser aus. Im Schnitt waren die Probanden nach 5,1 Sekunden übernahmebereit und hatten ihre Hände am Lenkrad. Die Latenzzeit von über fünf Sekunden bis zur Übernahme kann nach Ansicht des DEKRA Verkehrspsychologen als Indiz für den Aufbau eines Situationsbewusstseins gewertet werden. Wenn die Fahrerin oder der Fahrer nicht stets und ständig „in the loop“ seien, würden sie viel mehr Zeit für die mentale Verarbeitung einer Verkehrssituation benötigen. Zudem hätten vier Personen erst gar nicht versucht, die Fahrzeugsteuerung manuell zu übernehmen.
 
„Unterm Strich sollten diese Ergebnisse in jeder Hinsicht zu denken geben und deutlich machen, dass auf dem Weg zum hoch- und vollautomatisierten Fahren noch viele Hürden nicht nur in Sachen Fahrzeugtechnik zu überwinden sind“, sagt Thomas Wagner.