Ich hör' auf zu rauchen: Wie Ostern, nur ohne Tschick
Von Diana Dauer
"Und jetzt keine Tschick?"Es ist mehr eine traurige Feststellung als eine Frage. Darin schwingt Wehmut und zumindest für den Moment traurige Gewissheit, dass sich das auch nie wieder ändert - oder zumindest ändern dürfte. Zwei Menschen sitzen im Garten, es ist Karsamstag. Vor ihnen ein in die Jahre gekommener Griller, der "bald ausgetauscht wird", wie der Grillmeister sagt, der auch Urheber des ersten Satzes ist.
Auf dem Rost brutzelt das Essen. Ein seit Jahren bekanntes Bild in diesem Haushalt. Aber etwas ist anders. In ihren Händen befinden sich keine Zigaretten (mehr). Stattdessen hält einer der zwei neuerdings einen Gehstock. Die zwei Menschen im Garten sind zwei Ex-RaucherInnen. Eine davon bin ich, falls das noch nicht klar wurde. Die andere Person ist der Grund, aus dem ich vor über einem Monat aufgehört habe zu rauchen. Nach 15 Jahren. Ein wahrscheinlich Tschick-bedingter Schlaganfall macht bei der anderen Person den Gehstock - vorläufig - notwendig.
Toxische Beziehung
Und hat dazu geführt, dass der ältere der beiden Ex-RaucherInnen, tatsächlich nach rund 45 Jahren aufgehört hat zu rauchen, aufhören musste. Eine Hass-Liebe zwischen Mann und Zigarette, die fast zu einem schaurigen Ende geführt hat - und über dessen Trennung der Noch-immer-Süchtige bei weitem nicht hinweg ist, wie das häufig bei toxischen Beziehungen ist. Ich weiß, wovon ich spreche. Das Hinwegkommen dauert und die Rückfallgefahr ist hoch in der (vermeintlichen) Abhängigkeit. Ob man je die tödliche Geliebte (alias die Zigarette) ganz vergisst, wird die Zukunft zeigen. Momentan vermissen wir die Zigarette noch beide schmerzlich - zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Ich seltener und nach wie vor in Begleitung von Alkohol, den ich mittlerweile weit seltener trinke, als zu Raucherinnen-Zeiten. Die andere Person nach dem Aufstehen, nach dem Essen und eben beim gemeinsamen Oster-Grillen.
Manche Abläufe im Alltag bleiben immer gleich, folgen unsichtbaren Gesetzen. So etwa auch der Gang auf die Terrasse nach jeder Mahlzeit des anderen Ex-Rauchers. Aber wo früher die Zigarette als rauchiges Dessert geschmökert wurde, wird jetzt Luft geschnappt. Ob das Hinausgehen das Wegkommen nicht schwerer macht? Immerhin hat mir die Suchtexpertin Birgit Köchl doch empfohlen, Gewohnheiten, die mit dem Rauchen verbunden sind, zu ändern. "Blödsinn", wird mir entgegnet. Er gehe eben gern hinaus ... vielleicht, weil es an leichtere Zeiten erinnert, reime ich mir zusammen.
Grundsätzlich aber gibt es Traditionen und Gewohnheiten. Und manchmal werden sie gemeinsam zelebriert. Nein, ich gebe hier nicht meinen Senf zur Leitkulturdebatte. Ich weiß nichts über Blasmusik und was einem Maibaum in meiner Vorstellung am nächsten kommt, kenne ich aus der Ikea-Werbung. Hat sicherlich alles seine Existenzberechtigung, hat allerdings nichts mit meiner Person zu tun. Aber zurück zum eigentlichen Thema.
Ich spreche von persönlichen, individuellen Traditionen, Ritualen, die wohl jede Familie, jede Freundschaft, jede Partnerschaft nach einiger Zeit entwickelt. Diese sind im übrigen mindestens genauso heilig, wie religiöse und kulturelle Traditionen und Rituale für Fromme. Und Ostern ist gerade zu der Klimax von Ritual und Tradition: nicht nur für gläubige Christen und Christinnen.
Für mich besteht Ostern vor allem aus: Völlerei - ohne davor gefastet zu haben-, Osternester entdecken (das bleibt ein Muss, egal, wie alt ich werde - im Übrigen genauso wie der Adventkalender zur Weihnachtszeit), Charlton Heston, Yul Brenner und Kirk Douglas - also den Stars der biblischen Epen aus den 1950er und 1960er Jahren "Ben Hur", "Die Zehn Gebote" und "Spartacus" - und eben aus dem gemeinsamen Nichts-tun im Garten. Manchmal beim Grillen, beim Lesen oder beim Eichhörnchen beobachten.
Aber bisher wurden diese Rituale von unserer Lieblingsgewohnheit, dem Rauchen begleitet und unser gemeinsames Sitzen und Schauen roch nach Zigaretten und nicht nach den Frühlingsblumen, die heuer viel früher blühen als sonst.
Selbsthilfegruppe
So also saßen wir da, wir zwei Ex-RaucherInnen und bilden unsere eigene kleine Selbsthilfegruppe. Vater und Tochter im Kampf vereint. Wir unterhalten uns darüber, was sich verändert hat, oder eigentlich, was sich verbessert hat, so ohne Tschick - von mehr Geruch oder Geschmackssinn spüren wir beide nichts. Allerdings geht das Atmen leichter, das Husten ist fast komplett weg. Der Sound meiner Kindheit ist fast verstummt.
Das überzeugt nur mäßig vom Aufhören. Der Blick auf die Rauchstopp-App, die ich ihm und seinem Handy aufgezwungen habe, bringt dann doch ein Lächeln in die frustrierende und frustrierte Unterhaltung: Bis dato hat er seit seinem Rauchstopp Hunderte Euro gespart, im Jahr fast 4.000 Euro. Da wäre doch eine tolle Reise drinnen für mindestens zwei Personen ... vielleicht als Belohnung für zwei Ex-RaucherInnen, winke ich mit dem Zaunpfahl beim Vorrechnen. Man muss dazu sagen, dass die besagte Person in Deutschland lebt, wo Preise für Tabak noch höher sind, als im RaucherInnen-Paradies Österreich.
Stolz und froh über den Rauchstopp der beiden Ex-RaucherInnen sind nur 66 Prozent der Ostergemeinschaft, eine Nicht-Raucherin, die während Oster-Selbsthilfegruppe vor dem Griller die Beilagen vorbereitet hat und eine Ex-Raucherin, ich, nämlich. Die Person, die Gehstock gegen Zigarette tauschte, spürt vor allem eines: Wehmut. "Ich würd' so gern eine rauchen. Nur noch ein bisschen, für ein paar Monate. Dann hör' ich wieder auf", sagt die Person dennoch. Die rauchfreie Ostergemeinschaft lacht - teils darüber, weil allen anwesenden Neo-Ex-RaucherInnen bewusst ist, wie schön das wäre, manchmal einfach weiter zu rauchen und sich zu wünschen, es gäbe keinen triftigen Grund, stark zu bleiben. Teils kippt das Lachen in Panik, weil alle Angst haben, die Sucht könnte stärker sein, als der Wunsch nach Gesundheit.
Das liegt vor allem daran, dass der ältere der beiden Ex-RaucherInnen die Schuld für den gesundheitlichen Kahlschlag nicht wirklich bei seiner jahrzehntelangen grausamen Geliebten - der kurzen starken Zigarette - sucht. Viel mehr war der Schlaganfall ein Unfall, der eher eine Naturkatastrophe gleichkommt, gänzlich ohne persönliche Verantwortung. Nun, vielleicht ist es so. Die Fakten aber sprechen dagegen.
Rauchen ist dreimal tödlicher
Laut der World Stroke Organization haben Raucherinnen und Raucher, die täglich rund 20 Zigaretten rauchen, ein sechsmal höheres Risiko einen Schlaganfall zu haben. Das Risiko steigt übrigens auch bei Nicht-Rauchern, die Passivrauch ausgesetzt sind. Nicht-Raucherinnen und Nicht-Raucher, die mit einem Raucher oder einer Raucherin zusammen leben, haben eine doppelt so hohe Schlaganfallgefahr, als Partner und Partnerinnen von Nicht-Rauchern. Und für Schlaganfall-Patienten gilt der Abschreckspruch auf Tschick-Packerl "Rauchen kann tödlich sein" noch mehr: Wer nach einem Schlaganfall wieder zur Tschick greift, hat ein dreimal so hohes Sterberisiko wie die ohnehin schon gefährdeten Patienten.
"Papa, ich rauch' nicht, wenn du nicht rauchst", sag ich ihm. Vielleicht hilft es uns, wenn wir unsere Schicksale aneinander binden. Vielleicht sind wir bald übern Berg. Stark bleiben und weiteratmen.