Meinung

Sein Anführer ist tot, der "Islamische Staat" lebt

„Die Welt ist jetzt ein viel sicherer Ort“, sagt Donald Trump in die Kameras, sichtlich zufrieden über den Ausgang einer wochenlang vorbereiteten US-Operation. Die Nachricht vom Tod des IS-Anführers Abu Bakr al-Baghdadi kommt für den innenpolitisch stark unter Druck stehenden Präsidenten zur rechten Zeit. Ein Jahr vor den Wahlen steht er wegen der Ukraine-Affäre im Kreuzfeuer der Kritik und muss mit einem Amtsenthebungsverfahren rechnen; viele Republikaner sehen seine erneute Kandidatur skeptisch.

Der erfolgreiche Angriff auf al-Baghdadi – nicht zuletzt ermöglicht durch die von Trump im Stich gelassenen Kurden in Nordsyrien – lenkt zumindest kurzfristig von den innenpolitischen Querelen ab. Die Gefahr durch den „Islamischen Staat“ senkt er allerdings nicht. Al-Baghdadi war kaum mehr als eine Symbolfigur, wie auch Osama bin Laden am Ende seines Lebens 2011 für El Kaida war, und hat bereits im August selbst einen Nachfolger ernannt.

Dass es dem IS trotz der territorialen und militärischen Verluste der vergangenen Jahre bis zuletzt gelang, al-Baghdadi zu verstecken, zeugt vom weiter bestehenden Einfluss der Miliz. Dieser könnte zunehmen, sollten die Tausenden IS-Kämpfer, die in kurdisch kontrollierten Gefangenenlagern in Nordsyrien sitzen, wie befürchtet als Folge des US-Abzugs und der türkischen Offensive in der Region entkommen.