Meinung

Putins Blitzvisite: Das Private ist politisch

Karin Kneissls Hochzeitsgast Wladimir Putin hat den Besuch in der Südsteiermark als Zwischenstopp zu Angela Merkel erwartungsgemäß für seine PR-Show genutzt. Der auf dem Video des russischen Staatssenders gut sichtbare, zu tiefe Knicks der Außenministerin nach dem Tanz wurde von Kritikern prompt als Unterwerfungsgeste gedeutet. Die eher schräge Episode hat Aufsehen erregt – und wirft die Frage auf: Wer sind Österreichs „Freunde“ in der Welt? Gehört Putin dazu? Mit der Signatarmacht des Staatsvertrags verbinden uns intensive Geschäftsbeziehungen, die Wirtschaftssanktionen treffen daher auch Österreich.

Der politische Schachspieler Putin denkt rational: Das Land der EU-Präsidentschaft betrachtet ihn nicht als Ausgestoßenen der internationalen Gemeinschaft und hat ihm in den Weinbergen eine prächtige Kulisse geboten, eher er von der deutschen Kanzlerin auf Schloss Meseberg empfangen wurde. Politisch ist Kneissls Heiratspolitik heikel, denn die russische Regierung geht weder mit internen noch externen Kritikern zimperlich um und gilt als undurchsichtiger Cyber-Krieger. Das wiegt mindestens so schwer wie die Annexion der Krim.

Aber wo in der Welt findet man derzeit schon vernünftige, über jeden Verdacht erhabene demokratische Partner? Eine Beziehung auf Augenhöhe zwischen Russland und der EU ist daher rein pragmatisch enorm wichtig. Auch eine neue Friedensordnung in Syrien lässt sich wohl nur mit Russland (und der Türkei) erreichen. Wirtschaftlich böte eine engere Verbindung Europas mit Russland jedenfalls einen riesigen Wettbewerbsvorteil. Bei aller Unterschiedlichkeit verbindet uns mit Russland mehr als zum Beispiel mit China, wohin europäische Länder intensiv und oft vergeblich die Fühler ausstrecken. Natürlich ist Putin mit Vorsicht zu genießen (und daher auch kein harmloser „privater“ Hochzeitsgast). Kanzler Sebastian Kurz blieb in Gamlitz ein auffällig unauffälliger Besucher – auch eine Art Kommentar.

Bilder der Kneissl-Hochzeit

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