Sind Österreichs Öffis zuverlässig genug?
Sind Beschwerden über öffentliche Verkehrsmittel berechtigt - oder ist es bloß das übliche Jammern auf hohem Niveau? Anhand von Berichten über lange U-Bahnsperren und Zugausfälle erhebt sich die Frage: Sind Österreichs Öffis zuverlässig genug?
PRO
Johanna Hager, Ressortleiterin Innenpolitik
Ja, mag sein, die Züge sind voll. Sowohl jene, die unterirdisch durch die Bundeshauptstadt fahren als auch jene, die alle neun Bundesländer miteinander verbinden. Ja, mag sein, Österreichs Öffis fahren unregelmäßiger und unpünktlicher als es die Termin-Taktung der Bevölkerung verlangt. Aber was verlangen die Fahrgäste von Wiener Linien, Postbus, ÖBB oder Westbahn – und vor allem zu welchen Konditionen?
Mit dem „KlimaTicket“ kann man um 1.095 Euro kreuz und quer durch Österreich fahren, das Jahresticket der Wiener Linien kostet 365 Euro im Jahr – und das seit Jahren.
Unschlagbar günstig, wenn man die Preise mit europäischen Metropolen vergleicht und weiß, was man dafür bekommt. An alle Kritiker: Schon darüber nachgedacht, dass das Jahresticket der Wiener Linien an die Inflation oder die Instandhaltungs- und Reparaturerfordernisse angepasst werden könnte – jedenfalls müsste? Wer nur die Berliner S-Bahn ein Jahr lang benutzen will, der muss 865,80 Euro zahlen.
Die öffentlichen Verkehrsmittel hierzulande sind in Relation nicht nur günstig, sondern auch zuverlässig, wenn man die Verspätung jenseits der Viertelstunde kennt. Und sie sind teils ungleich bequemer, weil das Dicht-Gedrängtsein in Waggons nicht immer der Überbelegung, sondern oft der Bequemlichkeit und Unachtsamkeit der Mitfahrenden geschuldet ist. In der U-Bahn einen Schritt zur Seite zu gehen ehe die Tür sich öffnet oder einen Sitzplatz nach innen zu rücken, anstatt den Platzsuchenden akrobatische Übungen vollführen zu lassen, um den Platz zu erreichen, kostet nichts und bringt viel.
CONTRA
Robert Kleedorfer, Ressortleiter Wirtschaft
Störungen können vorkommen – Unfälle, Rettungseinsätze wie etwa jener in der Wiener U-Bahn diese Woche oder die Folgen von Wetterkapriolen sind leider nicht immer vermeidbar. Auch wenn die dann längeren Wartezeiten unangenehm sind, ist in diesen Fällen Verständnis angebracht.
Mein Verständnis hört aber dann auf, wenn es sich um systematisches Versagen handelt. Wenn etwa eine S-Bahn- und eine U-Bahnlinie gleichzeitig saniert werden, daher ausfallen und die Alternative fehlt; wenn Intervalle trotz guter Fahrgastzahlen stark ausgedünnt werden; wenn Fahrpläne nicht aufeinander abgestimmt sind und einem Bus und Bim regelmäßig vor der Nase davon fahren; oder wenn „der schadhafte Zug“ zum Normalzustand wird. Und erst recht, wenn sich die Wiedereröffnung einer U-Bahnlinie mehr als ein Jahr verzögert. In der Privatwirtschaft würde das alles personelle Konsequenzen nach sich ziehen. Bei den Öffis wird hingegen die Schuld prinzipiell externen Einflüssen gegeben.
Ja, die Kosten für ein Klimaticket oder die Jahreskarte in Wien sind unschlagbar niedrig und auch deswegen haben die Fahrgastzahlen stark zugenommen. Doch der Preis ist nicht alles. Die Infrastruxktur kann schon jetzt dem Ansturm zunehmend nicht mehr gerecht werden. Vor allem zu Stoßzeiten ist es schwierig, noch einen halbwegs angenehmen Platz zu ergattern. Wenn also Städte das Ziel haben, den Autoverkehr stark zu reduzieren, müssen sie zuerst die Qualität ihrer Öffis verbessern. Sonst stehen die Menschen lieber weiterhin im Stau.