Politik & Medien: eine Verkrampfung
Von Martina Salomon
Warum können Volksvertreter weder Fehler zugeben, noch, etwas nicht genau zu wissen? Und wann ist es eigentlich aus der Mode gekommen, Ecken und Kanten zu haben? Mittlerweile reden fast alle Spitzenpolitiker so wie die Chefs von börsenotierten Unternehmen in der „quiet period“, bevor die Geschäftszahlen veröffentlicht werden. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt. Sebastian Kurz kann das (meist), und es wirkt sogar authentisch. Werner Kogler kann es nicht und wirkt eben deshalb authentisch. Pamela Rendi-Wagner bemüht sich, wäre als Chefin der obersten Gesundheitsbehörde aber besser positioniert als in einer SPÖ, die auf der Suche nach Lichtgestalten immer wieder bei Kreisky landet.
Diese Woche blickte man auf seinen 30. Todestag zurück. Der SPÖ ist es gelungen, ihn zur Ikone zu verklären. Weil er ein neuer, großbürgerlicher Politikertyp war, geliebt für brummige Schnurren. Er begleitete Österreich durch die Wirtschaftswunderjahre, wagte gesellschaftspolitische Reformen und stärkte das Land als Ort internationaler Begegnung, obwohl seine Palästina-Politik spaltete. Dabei war Kreisky oft populistisch und ruppig, manchmal sogar brutal (zu Simon Wiesenthal). Die Lage der verstaatlichten Industrie sowie die Umweltbewegung schätzte er falsch ein. Seine Wahlreform für Kleinparteien ermöglichte erst den Aufstieg der FPÖ (weil er die ÖVP spalten wollte). Kreisky „spielte“ mit den Medien und wirkte im Vergleich zu seinen hölzernen Vorgängern modern. Die Medienlandschaft war eine gänzlich andere. Niemand führte Interviews als atemloses Match, in dem Journalisten beweisen müssen, gescheiter als ihr Gegenüber zu sein. Es gab kein Internet, nur den ORF als Monopolsender. Das Privatleben (auch bei Kreisky) wurde in Ruhe gelassen, das Wort „Shitstorm“ war unbekannt. „Sonnenkönig“ wird man heute nicht mehr so leicht. Daher haben Wirtschaft und Politik mit einer Armada an PR-Profis aufgerüstet.
Wahrscheinlich müsste man über einen neuen Umgang zwischen Politik und Medien nachdenken. Keine Verhaberung (wie sie früher in viel höherem Ausmaß herrschte), aber eine Entkrampfung. Die grüne Regierungsbeteiligung könnte eine Chance dafür sein. Gesundheitsminister Anschober gab vergangene Woche zu, dass in seinem Ministerium nicht alles unfallfrei gelaufen ist (nicht ohne es der Ressort-Umstrukturierung seiner FPÖ-Vorgängerin anzulasten). Weil Medien Grüne in der Regel milder beurteilen, gab es keinerlei Schelte, wie sie ein Türkiser oder gar ein Blauer geerntet hätte. Man könnte es auch als neue Normalität betrachten: Fehler passieren – speziell in so einer Ausnahmesituation. Man kann sie zugeben, dabei nicht wie ein Sprechautomat reden und wird dafür von den Medien kritisiert, aber nicht auf die „Blutwiese“ gezerrt. Eigentlich passt das so.