Lektion 2: Vom Immer-Meer-Wollen einer Binnenländlerin
Von Anna-Maria Bauer
„Schon wieder?“ seufzt der britische Partner, als ich auf die Frage, welchen Ausflug wir dieses Wochenende machen sollen, dieselbe Antwort gebe, wie die 23 Wochen zuvor. Trotz prognostizierten minus zwei Grad, Nieselregen und dicker Wolkendecke, gibt es nur einen erstrebenswerten Ort: Dort, wo die sanften Wellen den Strand liebkosen und einem der herrliche Wind wilde Ideen in den Kopf setzt. „Es ist Winter!“, versucht es der Freund. Doch es gilt 30 Jahre Meeresentzug aufzuholen.
Ausprobiert
Am Samstag steigt der Partner mit dünner Windjacke und ohne Schal ins Auto. Na, dann kann er ja nichts Schlimmes befürchten, denke ich und schlüpfte in die Barbour-Jacke. Doch das britische Outfit kommt nicht mit der landestypischen Kälteresistenz. Denn während die englischen Kinder ohne lange Hose, aber auch ohne Gänsehaut herumlaufen , frieren mir die Finger auf dem kurzen Weg vom Auto zum Strandcafé ab, das saisonbedingt keine Aufwärmmöglichkeit bietet.
Eine Woche später bin ich vorbereitet: mit Haube, Schal und Thermoshirt. Wie ein Michelin-Männchen wandle ich über die Dünen. Fühle mich unbritisch, aber mutig genug die Zehen ins Wasser zu stecken.
Großer Fehler! Die Welle rollt aus dem Nichts an, und die nasse Jeans erstarrt im scharfen Wind zu einer Eiswand.
In Woche drei lassen sich die Zeichen dann nicht mehr ignorieren. Bitte umkehren! Die Straße ist wegen der Winterflut gesperrt.
Akzeptiert
Also doch zum Country Park. Als uns am Parkplatz eine trällernde Meise empfängt, kann sich der Partner das Grinsen kaum verkneifen. Auf zugegeben niedlichen Steinbrücken geht es über gluckernde Bäche und durch Koppeln, an denen neugierige Ponys am Parker knabbern. Die rollenden Hügel schimmern in der Wintersonne und am Ende lockt das Pub mit Kaminfeuer und Pistazienkuchen. Manchmal kann kein Meer vielleicht doch mehr.