Eigenverantwortung statt Fünf-Jahres-Plan
Wo früher Fünf-Jahres-Pläne die Linie vorgaben, regiert nun knallharter Kapitalismus.
über China
Die Chinesen erobern New York. Genauer gesagt die Wall Street. Der Börsegang des Internetkonzerns Alibaba ist zwar nicht der erste eines chinesischen Unternehmens im Herzen der globalen Finanzwelt, aber der mit rund 25 Milliarden Dollar bis dato weltweit größte. Das Griss um die Aktien ist gewaltig. Firmengründer Jack Ma gilt als Bill Gates von China; der Selfmade-Milliardär ist mit Alibaba in eine Marktlücke gestoßen. Die Handelsplattform wird zunehmend von Kunden außerhalb Chinas frequentiert. Das Ziel, zu einer weltweit führenden Marke zu werden, ist daher nicht unrealistisch.
Der Konzern ist kein Einzelfall. In vielen Branchen entwickeln sich die Chinesen weg von reinen (illegalen) Kopiermeistern hin zu innovativen und gleichzeitig kostengünstigen Wettbewerbern. Viele Landsleute träumen davon, ihre Ideen umzusetzen. Vom Tellerwäscher zum Millionär ist nicht mehr länger nur ein amerikanischer Traum; zumindest in die wachsende Mittelschicht aufzusteigen gilt als realistischeres Ziel, vor allem in großen Teilen der armen Landbevölkerung.
Die Führung in Peking lässt seinen eifrigen Bürgern äußerst großzügigen Spielraum bei der Umsetzung ihrer Pläne. Wo früher Fünf-Jahres-Pläne die Linie vorgaben, regieren nun selbstständiges Handeln, aber auch knallharter Kapitalismus. Mit all seinen negativen Folgen. Bei Korruption, unmenschlichen Arbeitsbedingungen und Umweltproblemen sehen die Behörden zugunsten des Wachstums oft weg.
Unterm Strich könnte nach Berechnung der Weltbank China bei der Wirtschaftsleistung die USA bald als Nummer eins ablösen. Für die Amerikaner, aber auch Europa heißt das: Der internationale Wettbewerb wird noch härter, Innovationen statt Ausruhen auf bisher Erreichtem sind mehr denn je gefragt.