Achtung, Gift! Warum wir nicht dauerbesorgt sein müssen
Von Martina Salomon
Prinzipiell würden wir alle gerne im Paradies leben und uns von Bio-Äpfelchen ernähren.
über Giftstoffe
Irgendeine Sau wird bei diversen "Umwelt"-Organisationen zur "Rettung der Welt" ja immer durchs Dorf gejagt. Das kann man ihnen auch gar nicht vorwerfen, weil NGOs Aufregung brauchen, damit der Spendenfluss nicht abreißt. Darauf reinfallen muss man aber nicht unbedingt. Doch mittlerweile ist es schick, sich bei einem Soja Latte über die bösen Konzerne aufzuregen, die das Essen vergiften.
Was vor einiger Zeit die Biene war (sprich der Einsatz von Neonikotinoiden, die man für das Bienensterben verantwortlich machte), ist nun das Glyphosat. Die EU-Kommission muss nächste Woche über eine Verlängerung der Zulassung des Unkrautvernichters bis zum Jahr 2031 abstimmen. Logisch, dass Umweltaktivisten und ihre politischen Vorfeldorganisationen hyperventilieren. Vor wenigen Tagen kam dann die erlösende Schreckensmeldung: Im Nationalgetränk der Deutschen, dem Bier (genauer: in fünf Proben), findet sich Glyphosat!!!!!!!! Schluck!
Wer trinkt 1000 Liter Bier?
Allerdings, so darf man hinzufügen, müsste ein Erwachsener pro Tag rund 1000 Liter Bier trinken, um eine gesundheitlich bedenkliche Menge Glyphosat aufzunehmen. Und wenn schon, so ist der Alkoholgehalt einer Flasche Bier natürlich gefährlicher als die Spuren eines darin gefundenen Pestizids. Alkohol ist nämlich im Gegensatz zu Glyphosat ganz eindeutig als Krebsrisiko eingestuft. Egal, es sei schon ein Skandal, dass überhaupt Pestizidrückstände in Lebensmitteln gefunden werden, argumentieren Grün-Organisationen. Das ist nicht ganz falsch.
Prinzipiell würden wir natürlich alle gerne im Paradies leben und uns von Bio-Äpfelchen ernähren (Handy und Fernreisen gäbe es dann aber auch nicht mehr, will das wirklich jemand?). In der – gar nicht so rauen – Wirklichkeit unserer Industriegesellschaft haben Pflanzenschutzmittel dazu geführt, dass Ackerland ertragreicher geworden ist und (manchmal giftige) Unkräuter zurückgedrängt wurden. Das hat zu schrecklichen Auswüchsen an Monokulturen (zum Beispiel in den USA) geführt, die wir in Europa Gott sei Dank nicht haben.
Chemiebombe im Garten
Dank des technischen Fortschritts ist die Pestizidbelastung von heimischem Gemüse Gott sei Dank drastisch gesunken, die Mittel werden sparsamer und gezielter eingesetzt. Weil gleichzeitig aber die Analysemethoden stark verfeinert wurden, findet man mittlerweile jedes Molekül überall, so auch Pestizide. Es schadet nicht, das zu beobachten. Grund zu Hysterie gibt es nicht.
Während die dauerbesorgten Konsumenten den Bauern am liebsten jede Chemie verbieten würden, haben sie im eigenen Garten kein so großes Problem damit. Man erinnere sich an den Schrecken der Hobbygärtner, den Buchsbaumzünsler. Gegen ihn half nur mehr die Chemiebombe "Calypso".
Doch im Allgemeinen finden die Österreicher: Die Natur ist ungiftig, die Technik giftig. Sollten Sie also ein junger Mensch sein und Chemie oder ein anderes technisches Fach studieren wollen, gehen Sie lieber in die Schweiz oder nach Amerika. In Österreich macht man sich nur mit Homöopathie, Bioökonomie und Ungleichheitsforschung (Schwerpunkt Sozialromantik) beliebt. Die Wachstumsschwäche der heimischen Wirtschaft steht damit in keinem Zusammenhang, oder?