Olga Tokarczuk: Streitbare Nobelpreisträgerin aus Polen
Schon zuletzt wurde sie bei den Wettanbietern hoch gehandelt, nun hat sie den mit einem Jahr Verspätung vergebenen Literaturnobelpreis 2018 auch tatsächlich zugesprochen bekommen: Die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk (57) darf sich über die prestigeträchtige, mit neun Millionen schwedischen Kronen (ca. 831.000 Euro) dotierte Auszeichnung freuen.
Tokarczuk, die zu den bekanntesten Schriftstellerinnen Polens gehört, erhält die Auszeichnung für "ihre narrative Vorstellungskraft, die, in Verbindung mit enzyklopädischer Leidenschaft, für das Überschreiten von Grenzen als eine neue Form von Leben steht", wie die Akademie mitteilte. Ihr Werk wurde bisher in 25 Sprachen übersetzt und bereits mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Usedomer Literaturpreis und der polnischen Nike-Auszeichnung. Im Vorjahr erhielt sie den renommierten Man-Booker-Prize für ihren Roman "Unrast" sowie den Jan-Michalski-Literaturpreis für "Die Jakobsbücher". Nachdem Tokarczuk ihrem Heimatland Intoleranz gegen Flüchtlinge und Antisemitismus vorwarf, wurde sie angefeindet.
Es ist einer von zwei Literaturnobelpreisen, die am heutigen Donnerstag bekanntgegeben wurden. Die doppelte Auszeichnung wurde notwendig, weil sich die Akademie nach Skandalen und Austritten im Vorjahr gegen eine Preisvergabe entschieden hat. Der damit bis dato letzte Empfänger des Literaturnobelpreises war Kazuo Ishiguro im Jahr 2017. Tokarczuks Nachfolger 2019 ist der Österreicher Peter Handke, der gleichzeitig bekannt gegeben wurde. Überreicht werden die Preise am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.
"Es kommt noch gar nicht an mich ran"
Die neue polnische Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk hat sich nach Bekanntgabe der Auszeichnung fassungslos gezeigt: "Es kommt noch gar nicht an mich ran", sagte sie der polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza in einem Telefongespräch. Sie habe auf Werbetour für ihr gerade auf Deutsch erschienenes Werk "Die Jakobsbücher" erst einmal anhalten müssen, als sie die Nachricht erhalten habe.
Besonders freue sie sich, dass auch der von ihr sehr geschätzte österreichische Schriftsteller Peter Handke den Nobelpreis erhalten habe. "Das ist wunderbar, dass die Schwedische Akademie die Literatur aus Mitteleuropa gewürdigt hat." Auf ihrem Facebook-Profil schrieb die Autorin: "Literaturnobelpreis! Sprachlos vor Freude und Rührung." Tokarczuk wurde mit dem nachgeholten Nobelpreis für 2018 ausgezeichnet. Zuletzt hatte aus Polen die Autorin Wislawa Szymborska 1996 den Literaturnobelpreis erhalten.
Durchbruch mit Roman über Geschichte Polens
Die 1962 in Sulechow geborene Tokarczuk studierte in Warschau Psychologie, bevor sie sich verstärkt dem Schreiben widmete. Nach Abschluss ihres Studiums war Tokarczuk aber noch als Therapeutin tätig, erst Ende der 1990er nahm die Literatur einen größeren Platz in ihrem Leben ein. 1993 erschien ihr Romandebüt "Die Reise der Buchmenschen", in dem sie ihre Protagonisten in der spanisch-französischen Grenzregion des 17. Jahrhunderts nach einem mysteriösen Buch suchen lässt.
Seitdem hat sich Tokarczuk zu einer der profiliertesten Autorinnen ihres Heimatlandes gemausert, die etwa auch mehrfach mit dem Nike-Preis in Polen ausgezeichnet wurde. Der endgültige Durchbruch folgte mit ihrem dritten Roman "Ur und andere Zeiten" (1996), in dem sie sich auch mit der polnischen Geschichte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzte. In den folgenden Jahren erschienen einige ihrer Werke auch in dem von Tokarczuk selbst gegründeten und geführten Verlag Ruta.
Anfeindungen in der Heimat
Besonders in jüngster Vergangenheit konnte sich Tokarczuk über viele Auszeichnungen freuen, darunter der Usedomer-Literaturpreis sowie der Brückepreis. Erst im vergangenen Jahr wurden ihr für ihren Roman "Unrast" der Man-Booker-Prize sowie für "Die Jakobsbücher" der Jan-Michalski-Literaturpreis zugesprochen. Insgesamt wurden ihre Werke bisher in 25 Sprachen übersetzt.
Allerdings gab es in Polen auch Kritik an der Schriftstellerin, hatte sie ihrer Heimat doch Intoleranz gegen Flüchtlinge und Antisemitismus vorgeworfen, woraufhin sie sich mit Anfeindungen auseinandersetzen musste. Den Literaturnobelpreis für Tokarczuk argumentierte die Schwedische Akademie mit "ihrer narrativen Vorstellungskraft, die, in Verbindung mit enzyklopädischer Leidenschaft, für das Überschreiten von Grenzen als eine neue Form von Leben steht".