Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Raus aus dem Patt zwischen Bund & Land

Das provoziert Bürgerfrust und nicht Bürgernähe.

Dr. Daniela Kittner
über die Föderalismus-Debatte

Wieder einmal tobt die Debatte über den Bundesrat. Die wievielte eigentlich? Und wieder artet sie in den üblichen Stellungs-Kleinkrieg aus: Abschaffen. Aufwerten. Durch die Landeshauptleute-Konferenz ersetzen. Manch Bundesrat versteigt sich gar zur Behauptung, er sei im Sinne der „Bürgernähe“ unabkömmlich. Geht’s noch ein bissl realitätsferner?

Aus den bisherigen Erfahrungen wird das Ergebnis dieser gefühlten 295sten Bundesrats-Debatte sein, dass wieder genau nichts passiert. Dabei würde es sich lohnen, den Vorstoß von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, die Länderkammer abzuschaffen, einmal ernsthaft und tabulos aufzugreifen und einen Weg raus aus der Sackgasse zu suchen.

Tatsache ist, dass die zentrifugalen Kräfte immer stärker werden. Das lässt sich an den ÖVP-internen Zores ablesen und – folgenschwerer – an der abnehmenden Lösungseffizienz der Bundespolitik. Die Ursachen dafür mögen vielfältig sein, aber ein Hauptgrund für die Pattstellung zwischen Bund und Ländern ist wohl, dass es nichts mehr zu verteilen gibt. Und so beziehen die Vertreter diverser Partikularinteressen ihre Legitimation gegenüber der jeweiligen „Basis“ daraus, dass sie „Verschlechterungen“, in der Regel Budgetkürzungen, verhindern. Politik durch Verhindern. Nichts geht mehr.

Das provoziert Bürgerfrust und nicht Bürgernähe.

Die bisherige Diskussion bewegt sich zwischen den Radikalstandpunkten, den Föderalismus abzuschaffen oder Österreich in neun Klein-Fürstentümer aufzulösen. Beides ist weder sinnvoll noch realistisch.

Bürgermeister einbeziehen

Was man aus der fruchtlosen Debatte jedoch ablesen kann, ist, dass die derzeitigen Institutionen, die das Subsidiaritätsprinzip mit Leben erfüllen sollen, nicht mehr funktionieren. Warum also nicht den untauglichen Bundesrat abschaffen und gleichzeitig über ein neues, modernes Forum der regionalen Partizipation nachdenken? Darin könnten – ohne Extrabezahlung – Landeshauptleute genauso wie Bürgermeister großer Ballungszentren vertreten sein. Es wäre an der Zeit, der Verstädterung Österreichs Rechnung zu tragen. Abseits der traditionellen Bundesländer entstehen rund um die Städte spezielle Lebensräume mit neuen Aufgabenfeldern für die Politik – vom Nahverkehr, über Wohnraum bis zu Bildung, Kinder- und Seniorenbetreuung. Man könnte ein solches Lebensraum-Forum an den Nationalrat andocken und ihm das Recht für Gesetzesanträge einräumen, unter der Auflage, machbare Finanzierungsvorschläge mitzuliefern. Das würde die nationale Gesetzgebung mit bürgernahen Themen aufladen und gleichzeitig bei den Regionalpolitikern das Bewusstsein für die Endlichkeit der (Bundes-)Steuermittel schärfen.

Die Hoffnung, dass die Politik doch noch eine Föderalismusreform zustande bringt, kann man getrost begraben. Aber die Politiker könnten wenigstens ihr Hirnschmalz dazu verwenden, einen Mechanismus zu entwickeln, der das Dauerpatt überwindet und kreative Ideen aus Stadt, Land und Bund produktiv kanalisiert.