Werksmeisterschaft im medialen Abseits
Von Wolfgang Winheim
Anders als im Fußball regt sich im Skizirkus niemand über das Geld aus der Dose auf.
über Red Bull und Ski
Heute, Montag, begibt sich der Weltcup-Tross der Herren zum Finale. FIS-Verantwortliche bereuen es schon jetzt, dass sie es an Méribel vergeben haben. Nicht wegen der Abfahrtspiste, die selbst für Routiniers à la Hannes Reichelt Neuland bedeutet, sondern weil dort das Raubrittertum fröhliche Urständ’ feiert: Bis zu 700 Euro verlangen die französischen Hoteliers für eine einzige Nächtigung. Ums gleiche Geld kann in Kranjska Gora in blitzsauberen Frühstückspensionen zwei Wochen gewohnt werden.
Was das Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft, ist die nur kurvenreiche 20 Autominuten von Villach entfernte slowenische Gemeinde die Nummer 1 im Weltcup. Trotzdem war kein deutscher Zeitungsjournalist vor Ort, als der Deutsche Felix Neureuther vergeblich versuchte, sich vorzeitig die kleine Glaskugel im Duell mit Marcel Hirscher um Platz 1 in der Slalom-Schlusswertung zu sichern. Kein Skandinavier stellte in der Pressekonferenz Fragen an die beim Cevapcici-Weltcup so erfolgreichen skandinavischen Slalom-Artisten.
Auch italienische und Schweizer Printreporter blieben erstmals alle aus. Umso dankbarer waren lokale slowenische Medienvertreter, als ihnen Hirscher geduldig in fließendem Englisch Auskunft gab.
Trotz des gestrigen Beinahe-Sturzes befindet sich Hirscher weiter auf Rekordkurs. Nicht einmal der legendäre Ingemar Stenmark hatte vier Mal hintereinander den Gesamtweltcup gewinnen können.
Für Hirscher ist die vierte große Kristall-Trophäe zum Greifen nahe. Er will den "depperten Becher" (O-Ton Hirscher 2013) unmittelbar nach der Rückkehr aus der Abzocker-City Méribel am nächsten Montag in den Salzburger Hangar-7 mitbringen. Der erste große Studio-Auftritt zu Saisonschluss war schon bisher für Servus TV reserviert. Hirscher kommt gern und pflichtgetreu zum Sender von Dietrich Mateschitz, zumal Red Bull mit Raiffeisen-Genehmigung der zweite Sponsor des alpinen Giebelkreuz-Werbers ist.
Mittlerweile strecken längst nicht nurLindsey Vonnund Hirscher nach getaner Pisten-Arbeit ihre Trinkflasche mit dem Bullen drauf (obwohl sich darin meist Wasser und Elektrolyt befindet) medienwirksam Kameras entgegen. AuchKjetil Jansrud,Alexis Pinturaultund neuerdings der norwegische Slalom-SiegerHenrik Kristoffersenfahren auf Red Bull ab. Und wennAksel Lund Svindalnach seiner Verletzungspause im nächsten Winter in den Weltcup zurückkehrt, wird der Kampf um die große Kristallkugel einer RB-Werksmeisterschaft gleichen.
Anders als im Fußball regt sich im Skizirkus niemand über das Geld aus der Dose auf. Auftritte von RB Leipzig arten in Deutschland bereits zum wöchentlichen Spießrutenlauf aus. Heute kommt Düsseldorf, am Samstag wartet Heidenheim. Müssen kickende Bullen bald Helme wie Skifahrer tragen?