Wem die Stunde schlägt
Man diskutiert, jongliert, ist irritiert.
über familiäre Terminplanung
Sie
„Sie müssen sich füreinander Zeit nehmen“, flöten Paarberater gerne. In Zeiten, wo der Mensch seine Zeit vor allem mit eMailing, Facebooking und anderen Formen des Nichtstun-Bashings verbringt, ist das ein übler Scherz. Dennoch koordinieren wir ein Mal pro Woche Termine. Mein Kalender ist rot und altmodisch, seiner ein Smartphone. Während ich alles von Hand notiere, tippt er Daten ins Handy. Was davon übrig bleibt, sind Punkte und Kürzel, deren Bedeutung er völlig vergisst. Wenn ich also frage: Du, sag, die XYs wollen uns am 23. Juni zum Grillen laden, ginge das bei dir, antwortet er: Hm, weiß ich nicht, ich glaub, an dem Tag ist schon was. „Was“ ist bekanntlich relativ, also frage ich: „Was genau?“ Aber, schön blöd, das Handy hat gerade seinen letzten Zug getan und die Wahrheit bleibt eine Tochter des Akkus. Ups.
Hm, vielleicht ...
Auch sonst ist der Abstimmprozess eher zäh. Man diskutiert, jongliert, ist irritiert: Da muss das Kind zum Tennis chauffiert werden, dort muss es vom Sport nach Hause gebracht werden. Eine heiße Kartoffel. Wo doch weitere fünf aufgeregte Teenager während der Mitfahrt von Wien 15 nach Wien 17, 18, 19 und noch einmal 17 (ui, wir haben die M vergessen!) gnadenlos an den Nerven zerren. Das wäre noch nicht alles in Sachen Termindruck. Der Mann nebenan hasst es, sich festzulegen. Er verwendet gerne Floskeln wie Hm, vielleicht oder Da muss ich in mich gehen. Dabei schaut er ins Leere. Oder auf den Bildschirm, wo just in der 92. Minute ... wurscht. Das speziell, wenn es um Musicalpremieren, Verwandtenbesuch oder Wanderungen geht. Da setzt er auf Aussitzen (ich warte solange auf seine Zusage, bis der Termin vorbei ist). Super organisiert ist er hingegen, wenn es um gutes Essen und lustiges Beisammensein mit lustigem Weibsvolke geht. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Er
Ich hasse Termindruck. Die ständigen Hetzjagden im Familienverbund. Mehr noch, da ich ein sehr schlechter Sich-Sachen-Merker bin. Wenn ich in den Keller gehe, um eine Flasche Wein zu holen, und meine Frau bittet mich, auf dem Weg doch gleich den Wäschekorb mit hinauf zu holen, liegt die Chance, dass ich am Ende beides mit habe, bei maximal zehn Prozent. Keine Ahnung, ob diese Vergesslichkeit typisch männlich ist, was ich aber weiß: Ohne Erinnerungshilfen bin ich verloren.
Das Problem dabei: Gelegentlich sagt mir die Königin der Organisation Bedeutendes wie „Übernächsten Samstag sind wir beim Gustl-Onkel zum Grillen“. Und ich sage: „Aha.“ Und meistens auch: „Muss ich mir eintragen.“ (In meinen Handy-Kalender mit der extralauten Erinnerungs-glockenfunktion). Dann aber passiert oft etwas Wichtiges (Anpfiff bei Vigo gegen Barça, eine Twitter-Diskussion zur Lösung des Nahost-Konflikts, eine Packung Sportgummi, die gegessen werden muss), und ich vergesse auf die Notiz im Smartphone. Womit der Gustl-Onkel aus der Welt ist. Bis zu dem Tag, an dem meine Frau das Weißt-eh-heute-ist-Grillen-Gesicht einhängt, und es kurz darauf in Worte formt.
Nie gesagt
Jetzt kommt Eskalationsstufe 2. Wenn ich mich nämlich voll der Überzeugung beschwere: „Das hast du mir nie gesagt.“ Dann meint sie, ich wolle sie für deppert verkaufen, und ich meine, das sei gemein, weil ich mich ehrlich nicht erinnern könne, und sie meint, ich solle doch in mein Scheiß-Handy schauen, und ich meine ... (ich würde mich auch nerven).
Was ich jedoch nicht ahne: Wie oft beruft sie sich wohl auf meine Vergesslichkeit? (Weil: Schlau ist sie) Wie oft sagt sie mir, das hätten wir alles vor langer Zeit besprochen und geklärt, obwohl ein solches besprechen und klären nie stattgefunden hat? Vielleicht haben wir gar keinen Gustl-Onkel?
Twitter: @MHufnagl