Sie muss Erste sein!
Glauben Sie mir: So viel Empathie tut gut.
über die Szenen einer Redaktionsehe.
Sie
Da saßen wir also und lasen vor einem wunderbaren Publikum aus unserem paaradoxen Beziehungsleben. Und wie immer entrierte der Mann nebenan den Event mit einer seiner Halbwahrheiten. Nämlich, dass das, was ich hier links schreibe, ausschließlich dem Reich der Legenden und Fabeln zuzuordnen sei. Während er natürlich ausschließlich Fakten nach dem Motto Check, Re-Check, Double-Check schafft.
... (= ohne Worte oder derber: So ein Schwachsinn.)
Wenigstens die Zuhörerinnen und Zuhörer sagten vernünftige Dinge. Nach der Lesung hatten sie Gelegenheit, uns Fragen zu stellen. Besonders interessant fand ich die da: "Warum darf sie immer anfangen und er muss replizieren?" Was für ein guter Moment, sich in einer Selbstmitleids-Suada zu suhlen! Ich spürte körperlich, wie der arme Ritter in ihm eine Lanze für sich zu brechen begann, um mich als gemein dastehen zu lassen. Doch ich war schneller, griff zum Mikro und antwortete statt des Mannes nebenan. Und zwar wahrheitsgemäß. Die Wahrheit ist, dass ich einen Menschen an meiner Seite habe, dessen DNA aus "Last-Minute"-Bauteilen gebastelt zu sein scheint. Für ihn gilt: Wenn etwas zu tun ist, dann: von mir aus. Aber nicht jetzt – sondern: später. Das Fatale daran: Ist es dann tatsächlich "später", passiert erst wieder nix. Im Gegenteil. Für ihn ist "später" immer noch viel zu früh und ganz spät der geradezu ideale Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, wie man die ganze Sache nicht doch noch ein bisschen nach hinten schieben könnte. Wäre er also "Erstschreiber", würde das für diese Kolumne Folgendes bedeuten: Ich bekäme seinen Text 30 wahnsinnig lässige Minuten vor Redaktionsschluss, mit dem wahnsinnig lässigen Satz: Vielleicht lass’ ich mir noch einen anderen Schluss einfallen. Daher fange ich an. Und das wird auch so bleiben.
Er
Es war tatsächlich ein besonders gelungener Abend. Was auch an diesem herrlichen Gefühl des Verstandenwerdens lag. Nur ein Beispiel: Nach der Lesung fragte ein Herr, was wir an diesem Abend noch tun würden. Ein Schelm, wer darin eine Anzüglichkeit zu entdecken glaubt. Denn die Wahrheit ist: Ziemlich viele Anwesende wussten, dass unser Vortrag keine drei Stunden vor dem Anpfiff zum Halbfinale der Champions League begann. Und dass ich daher aus zeitlichen Gründen ein bisserl unrund sein musste. Und dass eben genau diese Termin-Konstellation kaum zu packen ist (vielleicht sogar mit dem Hintergedanken: Hat sicher sie ausgemacht, absichtlich). Ich bestätigte alles. Und sah im ganzen Saal freundliches Nicken. Glauben Sie mir: So viel Empathie tut gut.
Ruckizucki
Apropos: Ich verstehe meine Frau natürlich, was ihre Ausführungen auf die Frage der Paaradox-Reihenfolge betrifft. Ich bestätige zudem, dass ich mitunter einen leichten Hang zum letzten Augenblick habe. Aber. Besser, ABER: Es sei schon erwähnt, dass ich mein Jawort einst ausgerechnet der Ehrenpräsidentin des Ruckizucki-jetzt-sofort-Vereins gegeben habe. Einer Frau, die meine Sachen wegräumt, ehe sie von mir überhaupt hergeräumt werden. Einer Frau, die meine Antwort "Ja, gleich" auf die Frage "Könntest du ..." so rasend macht, als würde ich ihren Thermophor verstecken (obwohl sie den Konjunktiv selbst ins Spiel bringt). Einer Frau, die regelmäßig völlig erledigt ist von ihrem viel zu vielen Erledigen. Fakt ist: Gabriele "stante pede" Kuhn würde – gäbe es nicht eine große Menge anderes zu tun – diese Texte am liebsten bis zum Erscheinungstag 28. Juni, und zwar 2015, vorschreiben. Heißt: Die erste Kolumne, die wir in umgekehrter Reihenfolge schreiben würden, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit auch unsere letzte.
Twitter: @MHufnagl