Plötzlich weg!
Eben war er noch da, plötzlich war er weg. Das ist keine Seltenheit, es passiert immer und überall.
über die Szenen einer Redaktionsehe.
Sie
Und es ist wieder passiert. Vergangenen Sonntag, beim Stadtbummel. Der Mann verschwand. Eben war er noch da, plötzlich war er weg. Das ist keine Seltenheit, es passiert immer und überall. In einer fremden Stadt, auf dem Markt, im Kaufhaus, am Strand, im Wald, im Museum, auf einer Party. Futsch isser. Das Blöde: Er kündigt’s nicht an. Er sagt nicht Sätze wie Schatz, ich schaue mir noch einmal dieses fantastische Gemälde vom XY an, geh ruhig vor. Oder aber: Hey, dieses Licht hier ist so geil, das muss ich festhalten. Es kommt auch kein Warte, ich muss schnell Lulu und auch kein Jui, da vorne steht Susi, die Jugendliebe. Die muss ich anreden.
Michi? Michael?
Im Gegenteil: Er tut, was sein Bauch sagt, und geht der Nase, Blase oder Stimmung nach. So passiert’s, dass ich mit ihm dahinschlendere und rede, um plötzlich zu bemerken, dass ich Selbstgespräche führe – weil der daneben schwänzt. Oder ich im Kaufhaus über den Preis einer Tasche meditiere, um zu bemerken: Er hat sich verdrückt. Ich sage dann leise Michi?, dann etwas lauter Michael?, um schließlich quer durch die Location zu schreien: Wo? bist? du? Meist kommt er dann wie ein entlaufener Hund daher und sagt: Ich bin eh da. Aber zuvor ... musste er sich kurz hinsetzen (Kaufhaus), weil ihm fad war ( Facebook ist lustiger!), ... musste er in diese schmale Gasse (Stadtbummel), um diese "irre Fassade" in einer 100-Schnappschuss-Serie festzuhalten , ... musste er hinter die einzige Düne des Strandes, um nachzuschauen, ob da nicht vielleicht ein paar FKKler(innen) liegen, ... musste er, weil magisch vom Geruch frisch gebratener Ware angezogen, dringend zum Fleischhauer, weil: Schnitzi-Semmerl. Andererseits gibt’s da dieses Sprichwort: "Wer allein zankt, zankt nicht lange." Michi? Michael????
Er
Ich will nicht schreiben, dass meine Frau ein großes Plaudertascherl ist ... obwohl ... wenn ich so nachdenke ... doch, ist sie. Heißt, die Voraussetzungen für einen Dialog sind aus ihrer Sicht dann gegeben, wenn sie für einen solchen bereit ist. In diesem Sinne lässt sie sich z. B. auch nicht durch den Umstand irritieren, dass ich in die Lektüre eines Zeitungskommentars vertieft bin. Egal. Wenn sie etwas zu erzählen hat, erzählt sie es. Und zwar so eindringlich, bis sie die volle Aufmerksamkeit erobert hat. Eine Zeit lang leiste ich noch mit gedanklicher Doppelgleisigkeit Widerstand. Aber irgendwann merke ich immer, dass ich den Buchstaben eines Textes nicht mehr folgen kann, während ich von der fesselnden Aura ihrer Schilderungen erfasst werde. Natürlich könnte ich auch ein "Dass ich gerade etwas lese, ist dir völlig wurscht, oder?" einwerfen, will mir aber die unvermeidliche Folge-Debatte nach dem Motto"Na gut, dann erzähl’ ich halt nix mehr" ersparen.
Ausflüge
Gelegentlich jedoch entstehen geistige Bruchstellen im lieb gewonnenen ehelichen System. Und ich entwickle dieses spontane Bedürfnis, mir tarzangleich eine virtuelle Liane zu schnappen, um mich heimlich, still und leise aus dem Wort-Dschungel zu schwingen. Und diese seltenen Ausflüge in meine kleine Welt des Ich-bin-ich findet Plauder-Jane Kuhn tatsächlich so bemerkenswert, dass sie gleich eine ganzeKolumne dazu verfasst hat. Nach meiner wohlüberlegten Antwort darauf kann ich daher meinen Lieblingssatz schon hören: "Schatz, wir müssen reden."
Unser nächster Auftritt: Paaradox live am 3. Juli in Leobersdorf, im Rahmen des Benefizfestivals " José Feliciano & friends" für den Therapiehof Regenbogental.
Twitter: @MHufnagl