Reden und reden lassen
Reden wir bitte später, weil ich will jetzt keinen Streit.
über die Szenen einer Redaktionsehe.
Sie
Gerne wird ramponierten Eheleuten geraten, mehr miteinander zu sprechen. Ich glaube nicht, dass Reden auf Rezept funktioniert. Wo es nichts mehr zu sagen gibt, gibt es eben nichts mehr zu sagen. Die Gefahr eines vertrockneten Redeflusses besteht beim Mann nebenan und mir nicht – im Gegenteil: Bei uns daheim geht es manchmal zu wie beim Guinness-Wettquargeln-der-Rekorde. Das Problem: Jeder von uns hasst es eigentlich, dem anderen zuzuhören und ihn ausreden zu lassen. Wir sind Meister des Monologs, wobei mein Plauderwastl der Weltmeister des Monologs ist.
Dozieren
Heißt: Er beliebt ohne Strich und Punkt zu dozieren. Denn ist er von einem Thema, einer These, einem G’schichterl überzeugt, dann hält ihn nichts davon ab, es dem Universum mitzuteilen. Mein Pech: Meist besteht dieses Universum nur aus mir, die auch nicht gerade ein Valium auf der Zunge ruhen hat. Was wiederum dazu führt, dass der Satz Lass mich bitte ausreden oder Unterbrich mich nicht immer bei uns in der "Hall of Fame" der meistgesagten Sätze firmiert. Präziser: Der "meistgesagten Sätze ohne Folgen", weil sie der jeweils andere präzise überhört. Das erzürnt den Weltmeister des Monologs so sehr, dass er eine Paralleldiskussion in der Diskussion anzettelt. Um sich einmal mehr über die Tatsache zu outrieren, dass ich ihn nicht ausreden lassen kann: "Kannst du mir einmal, nur ein einziges Mal, bis zum Ende zuhören?" Dann folgt ein weiterer fader Diskurs über meine Ignoranz und seine Toleranz. Ich sage dann meistens, dass ich schon könne, aber eigentlich überhaupt nicht wolle – weil ich fürchte, dass es meinen Zeitrahmen sprengen würde, ihm "bis zum Ende zuzuhören". Oft endet die ganze Sache in beleidigtem Rückzug. Beide schweigen, in der Hoffnung, dass ihn der andere dabei irgendwann unterbricht.
Er
Dieses kleine Stück Text da drüben ist möglicherweise das Meisterwerk meiner Frau. Denn eine größere Verdrehung der Realität scheint mir nicht möglich. Das ist ja schon nahe am Skandal. Fast möchte ich sagen: Ich bin sprachlos. Wo doch gerade sie die Idealbesetzung für die Serie "Wort ist ihr Hobby" wäre.
So kann ich beispielsweise berichten, dass Madame Plaudertascherl meistens vor mir erwacht. Um dann offenbar in Lauerstellung darauf zu warten, dass ich endlich ein erstes Lebenszeichen von mir gebe. Als solches gilt aus ihrer Sicht bereits ein kleiner Seufzer im Halbschlaf. Flugs dringt die Frage "Bist du eh schon wach?" an mein Ohr. Gelegentlich auch von Stups-Offensiven begleitet. Meine geschlossenen Augen hindern sie daran nicht im Geringsten. Und auch die stets einsilbigen Antworten – von "Mmhpf" bis "Nein" – vermögen nicht zu verhindern, dass sie mir augenblicklich etwas erzählt. Im Idealfall handelt es sich dabei um einen Traum, den sie ohne Punkt & Beistrich schildert, und den ich daher auch nicht kommentieren muss. Wehe aber, sie hat schon das erste gedankliche Früh-Philosophicum hinter sich und harrt nur der Gelegenheit, meine Meinung zum buddhistischen Pfad, der das Ende des Habenwollens zum Ziel hat, zu hören – selbst dann, wenn ich diese nur grunze.
Reflexionen
Ja, meine Frau fordert Kommunikation ein. Und wenn sie Monologe zulässt, dann höchstens die eigenen. So erfahre ich etwa ihre vielen bedeutenden Überlegungen zu Sartres Der Mensch ist ein Sein, das nicht das ist, was es ist, und das das ist, was es nicht ist mit hoher Wahrscheinlichkeit kurz vor dem Anpfiff zum Champions-League-Finale. Da ich aber keine Lust auf Reflexion habe, sage ich nur kurz: "Schatzi, es warat wegen dem Ende vom Habenwollen von heute Früh. Reden wir bitte später, weil ich will jetzt keinen Streit."
Twitter:@MHufnagl