Meinung/Kolumnen/Paaradox

Es war einmal Verstoppertje

Wo ihm doch auf die Stirn geschrieben steht: "Er will ja nur spielen."

Gabriele Kuhn
über die Szenen einer Redaktionsehe.

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Sie

Seit Tagen hadere ich mit mir. Soll ich? Soll ich nicht? Und wenn, was würde womöglich geschehen? Mit mir, mit ihm – und überhaupt? Ich träume davon, und rupfe zur Unterstützung des Entscheidungsprozesses an den ersten Gänseblümchen der Saison. Ja. Nein. Ja. Mit dem Ergebnis, dass ich noch unsicherer bin als zuvor. Also: jein. Die Frage ist für uns halt fast eine Schicksalsfrage. Ich traue sie mir ja kaum zu schreiben ... ----, Hm, Schatz, begleitest du mich am kommenden Samstag zu IKEA? ---- Ähem. Schwierig, ich spür’s. Zumal ich nix zwingend brauche, aber überzeugt bin: Einmal dort, brauche ich was. Das fällt für ihn bekanntlich in die so verhasste „Nur ein bissl schauen“-Kategorie. Die ist bei ihm ausschließlich in Sachen Fußball-Konferenzschaltung opportun. Aber sonst: Pustelalarm – danke, nein!

Such mich!

Daher finde ich es besonders schade, dass „Verstoppertje“ wieder abgeschafft wurde. Was das ist? Nun, ein paar übermütige Belgier hatten Spaß und begannen, bei IKEA Verstecken zu spielen. Sie zwängten sich in Schränke oder robbten unter Betten. Via Facebook schwappte die Idee zu den Nachbarn in Holland – „Verstoppertje“ ward geboren und wurde zum Social-Media-Hype. Mehr als 20.000 Zusagen für ein Verstecken-Date in Amsterdam, mehr als 13.000 in Utrecht und 32.000 in Eindhoven. Für IKEA problematisch – es wurde verboten. Blöd. Ich bin mir nämlich sicher: Damit hätte ich den Homo ludens nebenan rasch ins Reich von Ollsta und Tosterö locken können. Wo ihm doch auf die Stirn geschrieben steht: „Er will ja nur spielen.“ Und die Vorstellung, dass er in Körbchen Riffla einen auf „Huhu, sucht’s mich!“ macht, hat was. Hufnagl im Korb, charmant. So sehr, dass ich ihn dort vielleicht sogar sitzen lassen würde.a

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Er

Von den vielen höchst bemerkenswerten Effekten, die unsere Paaradox-Abende auf der Bühne haben, will ich heute einen, der für mich völlig unerwartet eingetreten ist, hervorheben. Es ist nämlich so, dass meine Frau zwar selbstverständlich immer schon wusste, wie sehr sich gemeinsame Ausflüge in Baumärkte, Möbelhäuser oder sogenannte Gartenparadiese auf mein Gemüt schlagen. Und auch, mit welchen körperlichen Symptomen ich auf die teuflische Mischung aus Überangebot an Waren und Überangebot an Menschen reagiere. Aber bis dato hat sie mich immer als Paranoiker, Hysteriker und radikalen Trotzist betrachtet, der justament nicht gesellschaftsfähig sein will und sich nur im alltäglichen Erledigungswettstreit Sonderbehandlungen erwünscht. Erst die Reaktionen der vielen (männlichen) Zuhörer, die sich bei meinen verzweifelten Vorträgen regelmäßig lautstark mit mir solidarisieren (und zumindest in Gedanken „Lasst uns daheim! Lasst uns daheim!“ skandieren), hat sie zum vorsichtigen Umdenken animiert. Sie weiß jetzt: Das ist kein Spaß nicht!

Lockangebote

Daher spüre ich längst, wie sie mehr denn je herumdruckst, sobald sie ein gröberes Anschaffungsabenteuer im Auge hat. Oder wie sie mich mit Lockangeboten („Brauchst du nicht ein paar neue Kärcher-Aufsätze?“) vom Wesentlichen abzulenken versucht. In diesen Augenblicken empfinde ich fast schon Genugtuung. Und nehme die spätere Gewissensfrage in der Vorhangabteilung („Hm, was meinst du, Pärlbuske, Bollkaktus oder Ingerlise?“) gleich sehr viel gelassener hin. Obwohl ... verdammt ... womöglich war genau das ihr Plan.

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Neues Buch: „Du machst mich wahnsinnig“ (Amalthea-Verlag).

Neue Termine: Paaradox im Rabenhof, 17. und 28. Mai.

Neue Homepage: www.paaradox.at