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Paaradox: Der Patschenmann

"Hey, ich bin der Boss der Fells Angels. Und jetzt küss’ mich, Baby.“

Gabriele Kuhn
über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Ich gebe zu, dass ich zuweilen einen leichten Hang zur alpinen Romantik in mir trage. Ich liebe die drei Ws: White Christmas. Wohliges Kaminlodern. Warme Hüttenpatschen. Daher gibt es bei uns, saisonal bedingt, das eine oder andere Accessoire – etwa eine gigantische Kuscheldecke, in die ich mich hülle und dabei in Teelichter starre. Große und schwere Häferln, in denen Kräutertee schwimmt, mit Namen wie „Alpenglühen“ oder „Gipfelerlebnis“. Sowie rustikale Hausschlapfen aus Loden, innen mit dickem weißen Fell ausgekleidet. Nein, sie machen keinen schlanken Fuß, aber mir total wurscht – Hauptsache: warm.

Almrausch

Der Mann nebenan spöttelt da gerne und meint, ich möge meinen Alm-Rausch doch woanders ausleben. Schließlich würden wir auf 300 Meter Seehöhe hausen und nicht knapp an der Waldgrenze, umgeben von Gemsen und Latschen. Apropos Latschen. Unlängst kam ich einen Hauch früher heim als geplant. Ich legte Mantel, Haube und Stiefel ab, um in meine Hausschuhe, die er gerne als „Modell Kuhflade“ verunglimpft, zu schlüpfen. Aber ich fand sie nicht. Und so öffnete ich die Tür zu des Feingeists Arbeitsreich und sah ihn beim Computer sitzen. An den Ohren Kopfhörer, an den Füßen mein „Modell Kuhflade“. Da hockte er, hörte „Zehn kleine Jägermeister“ von den Toten Hosen, verfasste einen Text und wärmte tatsächlich seine nackten Fußerln in meinen, von ihm stets bis zur Lächerlichkeit verzerrten, Fellpatschen. Von seinen 1000 Ausreden, die nun folgten, sei nur eine erwähnt: Andere schnofeln am Nachthemd der Liebsten, um ihr nahe zu sein, ich habe halt kurz einmal deine Patschen angezogen. Ich antwortete nur: „Jo eh, Pantoffelheld.“ Und riet ihm, mal über ein Märchenbuch nachzudenken.

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Er

Es beginnt schon einmal damit, dass es sich einfach nicht gehört, unangemeldet früher nachhause zu kommen. Denn in meiner Rolle als Homeofficer & Gentleman bin ich es gewohnt, nach einem langen Tag das gemeinsame Domizil wieder in jenen Zustand zu verwandeln, der gnä Kuhn nicht das vorwurfsvolle Heben der Augenbraue abverlangt. Heißt: Ich räume gerne ein bisserl zusammen – auch, um mir etwa die Frage zu ersparen: „Nur, weil hier das leere Sackerl herumkugelt, hast du alle Ernstes die ganzen Erdnusslocken auf einen Sitz aufgegessen?“

Barfußarbeiter

Normalerweise hält sich meine Frau an dieses Gesetz und sendet in 99 von 100 Fällen eine SMS mit dem Wortlaut „Bin auf dem Heimweg, was ess’ma denn heute?“ Aber in diesem Fall stand sie plötzlich in meinem Arbeitszimmer und starrte mich in Grund und Boden. Dieser Blick!!! Eine Mischung aus Entsetzen, Anklage und Süffisanz. Als würde ich nackt, nur mit blonder Perücke und High Heels, in einer Bratapfeltee-Ekstase im Teelichter-Kreis zu „Little Drummer Boy“ tanzen. Dabei hatte ich nichts anderes getan, als für ein paar Minuten in ihre Polarforscherpatschen zu schlüpfen. Weil ich zwar ein leidenschaftlicher Barfußarbeiter bin, aber nach dem winterlichen Raumlüften zwischenzeitliches Fusserlfrieren wahrnahm. Ganz spontan, ohne großes Tamtam. Ich begriff daher sowohl ihre Entgeisterung als auch ihre Frage („Was um Himmels Willen machst du da?“) erst mit Verzögerung. Ehe ich mit tiefer Stimme sagte: „Hey, ich bin der Boss der Fells Angels. Und jetzt küss’ mich, Baby.“ Daraufhin lächelte die Liebste, und ich wusste: Es ist Zeit für einen Bratapfel-Tee.

Solo-Programm „Abend mit einem Mannsbild“: 12. 12. Wien (Studio Akzent)

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