Meinung/Kolumnen/Paaradox

Das Grau muss weg!

Nun ja, er kärchert tatsächlich eh ganz gerne. Aber eingeschränkt.

Gabriele Kuhn
über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Der Mann nebenan hält seit Jahren eine ganze Damenriege mit dem Satz Ich kärchere wahnsinnig gerne bei Laune. Klar, da hat man so bestimmte Bilder. Er, mit schweißglänzendem Oberkörper, das aus Testosteron gegossene Hochdruckding in der Hand. Und wie ein Wunder wird alles blitzblank und wie ein Wunder kann er verlautbaren: Sehet, ich war es, der das Wunder vollbracht hat! Folglich ist der Sager Ich kärchere wahnsinnig gern ein Partykracher, der immer geht. Und den er stets auspackt, wenn die anwesenden Partygästinnen über die Plage mit der Grünlage lamentieren. Da steht er dann, weißes Shirt zu blauer Jean, eine Dose Bier in der Hand und entwirft malerisch das Bild des willigen Saubermanns – Motto: Putze alles. Ich stehe fassungslos dabei und denke mir: Oida, wie kann man nur so lügen?

Halb schmutzig

Nun ja, er kärchert tatsächlich eh ganz gerne. Aber eingeschränkt. Nur kurz. Und nur halb. Weil ihm mitten im Reinigungsprozess plötzlich einfällt, dass gerade ein ultraspannendes Golfturnier im Fernsehen übertragen wird. Jö! Oder er eigentlich einen Termin mit irgendjemandem hat und sich hübsch machen muss. Dann unterbricht er sein Tun. Und weil er ist, wie er ist, unterbricht er es bis zum Spätherbst. Um so zirka an Allerheiligen zu sagen: Nau, jetzt zahlt sich das alles auch nimmer aus. Dann verstaut er den Hochdruckreiniger wieder. Ich hingegen musste einen Sommer lang mit halb dreckiger Terrasse leben, auf deren schmutziger Seite man gerne mal ausrutscht, weil die Gatsch-Patina nach einem Regen ungefähr so glatt ist wie eine olympische Kunsteisbahn. Aber wehe, ich sage was und fluche. Dann heißt es von seiner Seite nur: Du musst das Ganze positiv sehen – die Terrasse ist nicht halb schmutzig, sondern halb sauber.

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Er

Offenbar ist es mein Schicksal, stets aufs Neue die ganze und wahre Geschichte erzählen zu müssen. Also, der Reihe nach: 1. Die Liebste befindet bereits im Spätwinter, die Holzterrasse müsste heuer wohl gekärchert werden. Ich murmle zu dieser Zeit lediglich: „Ja, vielleicht, schau’ma.“ 2. Die Liebste wiederholt im Frühling den dringenden Wunsch nach einem baldigem Aktivismus des Herrn Kärchermeister. Ich meine: „Es müsste zwar nicht sein, aber wenn du es willst, ich mach’s dann irgendwann.“ 3. Die Liebste fragt ab diesem Zeitpunkt im Wochentakt: „Ist jetzt eigentlich schon dieses irgendwann?“ Ich schinde noch mit Augenrollen Zeit. 4. Die Liebste spielt beinahe trotzig, es ist längst Sommer, die Bedrohungskarte und verweist auf akute Rutschgefahr. Ich teste den Ernstfall, befeuchte das ergraute Holz und erkenne fachmännisch: „Halb so schlimm.“

Dreck schrubben

5. Die Liebste disponiert listig um und schaltet in den subtil erpresserischen Opfermodus. Heißt: Während ich mir vor dem Computer sitzend Texte ausdenke, geht sie draußen auf die Knie und beginnt, bewusst laut ächzend einen kleinen Teil der Terrasse zu schrubben. Ich höre das, schaue, staune und sage: „Schatz, um Himmels Willen, was machst du da?“ Sie antwortet: „Ich wollte nur schauen, wie viel Dreck da weggeht, und ob’s dann weniger seifig ist.“ Ich: „Und?“ Sie: „Ja.“ Ich: „Heißt?“ Sie: „Gehört gekärchert.“ Ich: „Meine Güte, wenn du dir etwas einbildest.“ 6. Ich hole das Gerät, befreie die Terrasse von etwa 79 Tontöpfen und kärchere als Sauberkünstler mit akribischer Hingabe bis zur Mitte. Sie: „Und die andere Hälfte?“ Ich: „Kommt morgen dran.“ Sie: „Also nie.“ Ich: „Geh’, pflanz’ wen anderen. Oder schreib’ a Kolumne.“

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