Mrs. Jekyll & Mr. Hyde
Das so produzierte Kontominus lächelt er mit dem Satz Armut ist keine Schande weg.
über die Szenen einer Redaktionsehe.
Sie
Dr. Jekyll and Mr. Hyde. Dr. Bruce Banner und Hulk. Pat und Patachon. Das fällt mir ein, wenn ich an den Mann nebenan denke. Kein Missverständnis bitte, in Maestro Hufnagl existiert kein diabolischer Michel, der über den guten Michi siegen will. Viel eher habe ich an die zwei Archetypen gedacht, die sein Tun bestimmen. Ja, natürlich, wohnen in uns allen, ach, zwei (oder mehr) Seelen in unserer Brust. Doch als Frau des Mannes nebenan betrifft mich sein ausgeprägter Hang zum Befindlichkeitselastischen besonders. Da wäre einmal der Rumpelstilz in ihm. Don Zornbinkel flucht bei jeder Kleinigkeit – Betonung auf: klein. Er findet sein Winterhauberl nicht in der Sekunde? Donnerwetter! Er stolpert über den Kauknochen des Hundes? Bombenstimmung! Die Zahnpastatubenzusammenrollung scheint ihm inadäquat? In Deckung!
So wurscht
Aber wenn es um das große Ganze geht, um die sogenannten "wirklich wichtigen Dinge des Lebens": so wurscht. Da lautet Little Buddhas Mantra: Alles wird gut, alles fügt sich und wenn nicht, dann nicht. Was dazu führt, dass er – zum Beispiel – Strafmandate nach subjektiv empfundenen Karmapunkten bezahlt: also nicht. Weil: Irgendeine höhere Macht wird bemerken, dass das ungerecht ist und diese höhere Macht wird dafür sorgen, dass sich das Strafmandat dematerialisiert. Aber Pech, auf Karma und Co. ist kein Verlass. Daher passiert nix. Also bucht sich der Urlaub nicht von alleine. Das Auto parkt sich nicht vollautomatisch aus dem Halte- & Parkverbot. Und auch etwaige Auftraggeber rutschen nicht auf Knien daher und sagen: "Bitte stellen Sie uns Ihre Rechnung aus, wir lechzen danach, Ihnen Geld zu überweisen." Das so produzierte Kontominus lächelt er mit dem Satz Armut ist keine Schande weg. Das sind jene Momente, wo mein innerer Buddha geht und Madame Wutbürger kommt.
Er
In unserem gemeinsamen Buch habe ich einst der Diskrepanz zwischen ihrem Stil des Erledigens und meinem ein ganzes Kapitel gewidmet. Viel zu wenig. Denn zu diesem Thema müsste ich einen Wälzer im Ausmaß von "Krieg und Frieden" schreiben (praktischerweise könnte das Werk auch gleich so heißen). Fakt ist: Das, was meine Frau in der Welt des Muss-man-noch-dringend-machen-Wesens bei mir mit Vorliebe als Wurschtigkeit betrachtet, ist aus meiner Sicht lediglich das entspannte Abarbeiten alltäglicher Notwendigkeiten. Diesen von besorgniserregender Sofort-Neurose völlig befreiten Zugang zum Leben kann und will jedoch überhaupt nicht verstehen, wer sich am liebsten Pakete von der Post holen will, ehe sie dort überhaupt eingelangt sind. Wer den Satz "Mach’ ich dann" auf einer Stufe mit "Von mir aus könnte es das ganze Jahr regnen" oder "Babyrobben braucht doch bitte kein Mensch" sieht. Wer von Montag bis Freitag fast im Stundentakt die Frage stellt, ob ich die Kolumne schon endlich geschrieben hätte – der wichtige Zusatz "Weil deine immer supertolle Ruckizucki-Gattin ist nämlich schon lang fertig" steht gut lesbar in ihrem Gesicht.
Hopp-Hopp-Hopp
Umgekehrt würde ich mir von ihr genau dieses Verhalten wünschen, sobald es um die ärgerlichen Kleinigkeiten im Spannungsfeld unserer Wohngemeinschaft geht. Heißt: Erstens grundsätzliche mehr emotionale Anteilnahme, wenn ich beispielsweise etwas nicht finde, das WER wohl weggeräumt hat? Und gleichzeitig jene Hopp-Hopp-Hopp-Mentalität beim Suchen, die Frau Checker dann pflegt, wenn es auch ihren Interessen dient. Stattdessen hebt sie im Angesicht meines Zorns lieber nur eine Augenbraue und zelebriert Gelassenheit. Meine kleine Rache an Mrs. Jekyll: Dieser Text müsste seit über ein Stunde fertig sein.
Twitter: @MHufnagl