Immer wieder „Ist was?“
Eine glückliche Ehe ist eine, in der sie ein bisschen blind und er ein bisschen taub ist.
über „Ist was?“
Sie
Während ich – wie unlängst hier erläutert – mit der fehlenden Antwort auf meine Frage „Was denkst du?“ entspannt umgehe, sorgt eine andere Fragestellung zuweilen für dunkelkarierte Momente in unserem Alltag. Die Worte Was ist? beziehungsweise Ist was? sind für den Mann nebenan wie Rosinen im Guglhupf: grauslich. Nur so: Ich frage niemals grundlos – ich sehe ja, dass was ist. Erst unlängst: Die Sonne schien, ich war in bester Bummellaune und wollte dieses Glück mit ihm teilen, aber pfuh: Monsieur wirkte, als hätte er soeben von einer Ex-Freundin erfahren, dass er doch der Vater ihrer mittlerweile 16-jährigen Zwillinge sei. Was passierte? Wir gingen nicht spazieren, stattdessen verzupfte er sich in den Nordflügel unseres Lebens. Und ich war stinksauer. Was würde der Paartherapeut raten? Sicher was im Stile von „Nur keine Erwartungshaltungen, gnä Frau.“ Sicher nicht!
99,9 Prozent
Ich finde nämlich, dass ich genauso ein Recht auf meine Erwartungshaltung habe, wie er auf sein Steak. Also bestehe ich auf mein „Ist was?“ Allerdings antwortet der Mann in 99,9 Prozent der Frage-Fälle mit einem lapidaren Nix, was soll sein? In 99,9 Prozent der Fälle entspinnt sich jetzt folgender Dialog – ich: „Klar ist was. Lüg mich nicht an. Also sag’s!“ Er: Wenn ich sage, dass nix ist, dann ist nix. Ver-her-standen? Nun schon sehr beleidigt, entgegne ich: „Glaub bitte net, dass du mich für deppert verkaufen kannst. Ich sehe, dass was ist. Also, sag, was es ist!“ Er, mit sichtlich höherem Stresshormonpegel und beschleunigtem Kommunikationspuls: Zum allerletzten Mal: Es! ist! nichts! Brauchst du es schriftlich vom Therapeuten? Oder bestellst dir einen Lügendetektor im Internet? In solchen Momenten fällt mir dann eigentlich nur mehr Loriot ein: „Man kann eine Beziehung nur unter der Voraussetzung eingehen, dass sie eigentlich nicht funktionieren kann.“
Er
Ich bin echt froh über jene Männer, die mir immer wieder ein paar Zeilen der Bestätigung schicken. Denn jedes „Sie haben ja so recht“ leite ich sofort an die Dame drüben weiter. Betreff: Nimm’ das!
In diesem Sinn bin ich mir fast sicher, dass ich auch mit meinen Gedanken zu der Frage Ist was? nicht alleine bin. Es handelt sich dabei um eine ihrer bevorzugten Offensiven im Fall unerwünschter Schweigsamkeit. Das Problem dabei: Entweder ist tatsächlich nix, außer ein simples Bedürfnis nach Ruhe, während ich mich etwa gerade in der Lektüre einer Zeitung verliere. Oder es ist natürlich etwas, aber ich habe keine Lust, in diesem Augenblick darüber zu reden. Weil ich a) grundsätzlich nicht alles besprechen muss, und b) genau weiß, was passiert, wenn ich es trotzdem tue.
Rauslassen
Heißt: Mich stört etwas, aber es stört mich nicht so, dass ich es – wie es therapietypisch lautet – „rauslassen“ muss. Lieber bearbeite ich es eine Zeit lang im geheimen Dialog mit mir selbst, bis es wieder weg ist. Wie in einem Restaurant: Dort soll es auch gelegentlich vorkommen, dass man etwas im Mund hat, das nicht schmeckt. Aber deshalb spuckt man es doch nicht immer gleich auf den Teller. Eher kaut man kurz darauf herum und schluckt es dann ohne großes Aufsehen hinunter. Ginge es jedoch nach meiner Frau, müsste ich augenblicklich zu einer exakten Analyse des Bissens ansetzen. Aus der sich dann zwangsläufig eine Diskussion über das Menü im Speziellen und die Kochkunst im Allgemeinen ergibt. Bis zu der bedeutenden Frage, wie sich das weltweite Ernährungssystem bis zum Jahr 2038 entwickeln wird.
Auf diesen großen Bogen mag ich manchmal verzichten. Stattdessen einfach nur kurz die Miene verziehen. Und natürlich auch an Loriot denken: „Eine glückliche Ehe ist eine, in der sie ein bisschen blind und er ein bisschen taub ist.“
Twitter: @MHufnagl