Der Ring-Kampf
Diese Männer mit „ Pickerl“ hat schon jemand geprüft und für tauglich befunden.
über den Ring-Kampf
Sie
Der Ehering ist überbewertet. Sage ich. Der Mann nebenan – und ich oute ihn an dieser Stelle als talentierten Romantiker – sieht das anders. Für ihn ist das Fingergeschmeide mit meinem Namen und Hochzeitsdatum drin offensichtlich die Schmuck gewordene Form eines Ehevertrags. Ohne versteckte Paragrafen, freilich. Aber vielleicht in Anlehnung an einen Spruch von Noël Coward: „Ein Ehering ist eine Tapferkeitsauszeichnung, die man am Finger trägt.“ Er vergisst zwar dennoch zuweilen auf unseren Hochzeitstag, aber wenigstens nicht meinen Namen (weil er ja nur in den Ring steigen muss, um ihn nachzulesen. Ja, der war gemein.) Ohne Schmäh: Don Hufnagl trägt den Ehering 24 Stunden, 52 Wochen, 12 Monate lang. Ich habe längst den Verdacht, der Ring und er sind eins, möglicherweise bin ich seit Jahren mit einem Schmuckstück verheiratet und weiß es nicht.
Marktwert
Allen Damen, die jetzt wie Schokosorbet dahinschmelzen, sei gesagt: Glauben Sie an das Gute im Mann nebenan, aber nicht nur. Denn 1. weiß er womöglich gar nicht mehr, dass er einen Ring am Finger trägt. 2. Wenn doch, dann ist er schlicht zu träge, ihn nachts abzunehmen und morgens wieder anzustecken. 3. Der Ring erfüllt Zwecke. Studien zufolge wirken gebundene Herren auf Frauen attraktiv. Diese Männer mit „Pickerl“ hat schon jemand geprüft und für tauglich befunden. Dazu sagt er nur: Deine Fantasie und dem Rothschild sein Geld. Um zum Gegenschlag auszuholen: Warum trägst du den Ehering eigentlich nicht, hä? Wenn ich zugebe, dass ich ihn nicht finde, versteigt er sich in krausen Theorien, wo er herumkugeln könnte. Von wegen. Denn wie immer bisher findet er sich nicht am Nachtkastel eines prospektiven Lovers, sondern neben den Kochlöffeln. Oder den Fleischmessern, mit denen ich liebevoll Schnitzis für ihn schnitze.
Er
Es gibt Verhaltensmuster, derer ich mir nach vielen gemeinsamen Jahren sicher sein kann. Wenn meine Frau z. B. etwas nicht findet, ist sie sehr gelassen, es sei denn, es handelt sich um den Thermophor. Wenn sie etwas tut, sagt sie ganz verlässlich, dass a) immer und b) alles an ihr hängen bleibt. Und wenn sie am Abend die Wohnung betritt, erkennt sie sofort, dass der Zeitungskorb in der Früh noch viel näher an der Wand gestanden ist.
In Kenntnis dessen lässt sich mit spielerischer Leichtigkeit so manches andere Verhalten assoziieren. Heißt: Sollte ich jemals die Idee gebären, den Ehering – und sei es nur für einen kurzen Moment – vom Finger zu streifen, würde sie das vermutlich schon bemerken, ehe ich ich es überhaupt getan habe. Und halleluja, das wäre natürlich ein Warumweshalbwieso, gefolgt von einem nahezu inquisitorischen Aha (ganz wurscht, wie mein Motiv lautet).
Daher bleibt der Ring grundsätzlich dran. Stört ja nicht im Geringsten und ist außerdem für jemanden, der so grauenhaft zerstreut ist wie ich, wohl die beste Idee, um einem banalen Konfliktpotenzial keinen Raum zu geben.
Störfaktor
Sie aber: Es existiert offenbar keine Alltagssituation, in der ihr der Ehering nicht zum Störfaktor wird. Ob beim Kochen (Verkleben) oder bei der Gartenarbeit (Verdrecken), beim Sport (Schwitzen) oder bei Wetterwechsel (Fingerschwellung), bei Nacht („Kann mit Schmuck nicht schlafen“) oder bei Tag („Habe vergessen, ihn wieder draufzugeben“). Der Unterschied: Ich merke es eh nicht. Mein Ringfingerbeobachtungssensor ist männlich verkümmert. Es gibt Wichtigeres als Symbolik. Gelegentlich finde ich aber das gute Stück zufällig an den sonderbarsten Orten. Dann schnappe ich mir den Ring und verstecke ihn. Klarerweise gemeinsam mit dem Thermophor. Sonst ist es ja nur der halbe Spaß.
Twitter: @MHufnagl