Meinung/Kolumnen/Paaradox

Der Hund muss raus!

Ich glaube, die Frau Klinger hätte a Freud’ mit uns.

Gabriele Kuhn
über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Lange Beziehungen werden häufig mit einem Hauch von Nostalgie beatmet – und so, gewissermaßen, am Leben erhalten. Das einst Erlebte wirkt bindend – wie Pattex (aber ohne „ex“). Das ist beim Mann nebenan und mir nicht anders – wobei sich unser „Blick zurück“ auf einst Geschriebenes fokussiert: alte Faxe, interne Hauspost. Mit Fortschreiten der Kommunikationstechnik schließlich: eMails und SMS.

Sonnenaufgang in der Kantine An verregneten Tagen sitzen wir dann bei einer Flasche Wein, um in den Liebesbeteuerungen von einst zu schmökern. Wobei ich so manche Formulierung von ihm aus heutiger Sicht mit der goldenen Schmalzlocke küren würde. Wie etwa diesen Satz: „Wenn du durch die Kantine schwebst, geht die Sonne auf.“ Nur so: Elflein Kuhn kann vieles, nur nicht schweben. Hufnagl war somit der einzige Mann, der mir die Fähigkeit dazu attestierte. Aber viel interessanter ist ja, wie sich die Liebeskommunikation im Laufe der Zeit verändert. Unlängst war mir fad und ich begann, in unseren WhatsApp-Nachrichten zu stöbern. Darin fand ich eine signifikante Anhäufung sogenannter „Mimi-Messages“, in denen sich alles um das Thema „Wer geht wann mit dem Hund“ dreht. Je nach Beziehungsstatus – also: zufrieden, gereizt, angepisst – klingen diese Mini-Nachrichten dann so – Er: Gehe jetzt mit Mimi und dann schlafen. Hoffe bei dir ist alles gut. Ich: Super, bin nicht vor Mitternacht daheim, lieb dich trotzdem. Oder – Ich: Warst du eigentlich schon mit Mimi? Er: Nein, es schüttet. Ich: Warmduscher ;-)! Oder – Er: Warst du mit Mimi? Ich: Ganze 37 Minuten lang – was mich von dir unterscheidet. Ich: Ich geh schlafen, du mit Mimi? Er: Klar, irgendein Warmduscher muss ja die vielen Gacki-Sackerln aufarbeiten. Ich glaube, die Frau Klinger hätte a Freud’ mit uns, wohingegen der Oswalt Kolle das eine oder andere kritisch anzumerken hätte.

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Die Frau da drüben schreibt das ja beinahe flapsig dahin. Es ist aber tatsächlich wahr, dass wir einst vor allem über das geschriebene Wort zueinander fanden. Nun, es war natürlich nicht unbedingt so, dass wir die Gänsefederkiele in unser Blut tauchten, um der Botschaft des Schmachtens die notwendige Dramatik zu verleihen, aber: Der intensive Gedankenaustausch besaß auch mithilfe der Tastaturen eine ziemliche Theatralik. Sicher nicht zu vergleichen mit „Geo-Test ist ein Dreier“, „Wenn du heimkommst, schlaf’ ich sicher schon“ und „Einkaufen du?“. Ganz zu schweigen von Bemerkungen wie „Wo bist du?“, die sich im Laufe eines langen Ehelebens zum SMS-Symbol für die Erosion der Leidenschaft entwickeln. Heißt: Die Formulierung bleibt zwar die gleiche, der Sinn dahinter entwickelt sich jedoch schleichend von der Sehnsucht über das Interesse bis zum Vorwurf.

Abkommen In den meisten Fällen könnte ich auf die Frage aber ohnehin antworten: „Mit dem Hund“. Denn unser Abkommen (sie geht lang in der Früh, ich mittellang am Nachmittag und kurz am Abend) hat selbstverständlich zahlreiche wichtige Einschränkungen, die a) niemals so ausgemacht wurden und b) fast ausschließlich zu meinem Nachteil sind. Genau gesagt: Ihre Gassi-Pflicht wird außer Kraft gesetzt, wenn sie schlecht geschlafen hat, wenn sie kurz geschlafen hat, wenn sie früher ins Büro muss, wenn sie völlig die Zeit übersehen hat, wenn es sehr kalt ist, wenn es sehr heiß ist, wenn es sehr windig ist, wenn es sehr rutschig ist, wenn es sehr regnet. Meine Gassi-Pflicht wird hingegen nur außer Kraft gesetzt, wenn ich (vom Amtsarzt bestätigt) über 40 Grad Fieber nachweisen kann. Ansonsten: „Warst du schon mit Mimi?“ – „Nein, ich fühl’ mich heute gar nicht gut.“ – „Oje! Aber du wirst sehen, frische Luft tut dir gut. Bussi.“

Twitter: @MHufnagl