Meinung/Kolumnen/Paaradox

Denksport für zwei

Ich nenne dieses Phänomen den 50.000-Euro-Stolz.

Michael Hufnagl
über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Der Mann nebenan ist klug, doch wenn es um Gedächtnisleistungen geht, agiert sein Gigantenhirn (Selbsteinschätzung) im selektiven Schlummermodus. Er merkt sich nur wichtige Dinge. Wer wissen möchte, wie viele Tore Rocha Pedro Virgilio aus Uruguay bei der Fußball-WM 1974 geschossen hat, fragt ihn (Ätsch, ich weiß es: drei! Merci, Google). Er wird in der Sekunde sämtliche Statistiken zu der Partie ausspucken. Womöglich weiß er auch, was er bei dem Match getragen, gegessen und gefühlt hat. Nix wird’s mit Gedächtnisrekorden, was die – aus seiner Sicht – faden Dinge des Lebens betrifft.

Kümmel ohne Braten

Etwa die Einkaufsliste: Sinnlos eine zu schreiben, weil er sie eh meist daheim vergisst. Dann ruft er mich im Sekundentakt an und hechelt hektisch ins Handy: Sag, stand da auch Klopapier drauf? Wie viel Schinken soll ich kaufen? Aber auch mit Liste wird das nix. Meist verliert er sie auf dem langen Weg vom Berg ins Tal (mit Auto: 2 Minuten). Ich vermute ja, dass er den Zettel in Stücke zerreißt, um sie – wie Hänsel und Gretel im Märchen Brotkrumen – auszustreuen. Ja, ich bin böse, aber es macht wenig Spaß, wenn der Mann nebenan bei der Jagd zwar Knoblauch und Kümmel erlegt, aber nicht das georderte Schwein für den Braten. Oder statt des Duschgels eine Gesichtscreme – für die junge (!) Haut anschleppt. Nächster Punkt: die Termine. Es ist schon vorgekommen, dass abends ein paar lustige Leute bei uns eintrudelten, weil sie sich auf die Essenseinladung freuten, die er vor drei Monaten ausgesprochen hat. Alle wussten davon, nur wir – die sich soeben in Jogginghosen über den Wurstsalat für zwei hermachen wollten – nicht. Partystimmung gab es trotzdem, wohl auch, weil der Mann ein Woody-Allen-Zitat aus seinem Halblustig-Hütchen zog: „Mein Gehirn ist mein zweitliebstes Organ.“ Ich hätte es einen Hauch anders formuliert.

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Ich bin demnächst Telefonjoker. Eine liebe Freundin darf als Kandidatin zur Millionenshow und hat mich als potenzielle Unterstützung auserkoren. Sie vertraut nämlich auf mein Sport-Wissen, das ich mir in zehnjähriger Sportjournalistentätigkeit sowie dank lebenslanger Leidenschaft (Neigungsgruppe Fußball-Irrsinn) angeeignet habe.

Nach Lektüre des wie stets maßlos übertriebenen Textes meiner Frau habe ich jetzt seit Tagen eine Vision: Es geht um eine Million Euro, und Armin Assinger stellt meiner lieben Freundin folgende Frage: Der Fußballer Rocha Pedro Virgilio gewann in seiner Heimat Uruguay acht Meistertitel. Mit welchem Verein? a) Danubio Montevideo; b) Bella Vista Montevideo; c) River Plate Montevideo; d) Peñarol Montevideo. Was er eher nicht tun wird, ist, die Antwort einzufordern auf Fragen wie „Woran erkennen Sie eine Tube Bodylotion?“ oder „Auf einer Skala von 1 bis 10, wie wurscht ist es, ob Sie den Koriander zu kaufen vergessen haben?“

Protest und Stolz

Aber beim Mann meiner Träume, Rocha Pedro Virgilio (oder Pedro Rocha, wie wir Insider ihn gerne nennen), werde ich glänzen und sagen: „Ich weiß sogar genau, dass die Titel alle zwischen 1959 und 1968 geholt wurden. Und mit welchem Verein, ist nur ein Kinkerlitzchen. Aber leider hat meine Frau gesagt, dass es völlig vertrottelt ist, so etwas im Hirn zu speichern, weshalb ich aus Protest schweigen und auf den versprochenen Anteil von fünf Prozent verzichten werde.“ Ich nenne dieses Phänomen den 50.000-Euro-Stolz.

In der Realität verhält es sich leider ein wenig anders. Da kommt es tatsächlich gelegentlich vor, dass ich bereits auf der Stiege vergesse, warum ich den Weg in den Keller kurz zuvor für notwendig erachtet habe. Na und? Kann passieren. Es gibt Wichtigeres im Leben. Übrigens: d) natürlich.

Twitter: @MHufnagl