Meinung/Kolumnen/Paaradox

Dein Grant, mein Grant.

Ist es erlaubt, einen allfälligen Generalfrust offen auszuleben?

Gabriele Kuhn
über allerlei Laune-Defizite, Provokationen und Strategien.

Sie

Eine Frage jeder Ehe lautet: Ist es erlaubt, einen allfälligen Generalfrust offen auszuleben? Oder steht in irgendeinem Unterpunkt des Ehevertrags, dass die aktiven Mitglieder der Gemeinschaft so tun müssen, als hätten sie eine Überdosis Glücksbären geschluckt? Ganz klar: Ja zu Variante 1. Ich halte nichts von Unterpunkten und viel von Seelenhygiene. In möchte sein, wie ich bin – also auch schlecht aufgelegt. Wenn ich morgens mit Falten auf der Seele erwache, dann will ich mich weder an den Mann nebenan schmiegen noch „ Ich bin’s, dein Sonnenstrahl“ flöten. Da will ich nur eines: Nicht! blöd! angeredet! werden!

Der Li-La-Laune-Bär

Nun ist es so, dass der Mann nebenan ein gar lustiger Kampel ist, der oft Super-Li-La-Laune hat (außer der Staubsauger leuchtet rot, ein Stau hat sich gebildet, es stehen zwei, drei Menschen an der Kassa, seine Socken sind weg). Dies heißt wiederum, dass er es extrem blöd findet, wenn ich in der Wohnung herumschlurfe, als befände ich mich im Tal des Todes. Doch statt zu warten, bis sich die seelische Dürre von alleine verzieht, erzählt er unglaublich schlechte Witze – etwa: Treffen sich zwei Magneten. Sagt der eine: Was soll ich heute nur anziehen? Um mich dann zu umarmen, obwohl an mir ein geistiges Taferl mit der Aufschrift: „Bitte nicht berühren und füttern, sehr bissig“ hängt. Jetzt beginnt der Teufelskreis: Ich lache natürlich nicht, sondern sage nur: „Geh, sei einfach so lieb und sag nix.“ Oder: „Musst du nicht wohin?“ An dieser Stelle dreht er den Spieß um – das aber zeitversetzt. Wenn ich abends von der Arbeit erfrischt, bestens gelaunt heimkomme, serviert mir der Herr des ewigen Eises einen Teller Ignoranz. Da erzähle ich gerne einen Witz: „Wie zeigt ein Mann, dass er Zukunftspläne macht?“ – „Er kauft zwei Kisten Bier.“ – Und ja, wir sind ein bisschen komisch.

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Man braucht oft einmal nur die richtige Strategie. Das gilt für das Leben im Allgemeinen und für die Ehe im Speziellen. Da es ein bekanntes Faktum ist, dass ein Stinkstiefel einen bis zu diesem Zeitpunkt fröhlichen Menschen ganz leicht in sein Stinkstiefelreich entführen kann, muss man rechtzeitig entgegenwirken. Auch um zu vermeiden, dass zwei Stinkstiefel um die Wette stinkstiefeln, sei es brüllend oder trotzig schweigend.

Also gilt es, ganz bewusst ganz besonders gute Laune zu verbreiten. Das kann ich. Und zwar so, als würde es mir überhaupt nicht auffallen, dass die Frau nebenan mit einem Kampfschnoferl durch die Wohnung rumpelt. Weil irgendwelche Drogeriemarkt-Rabattmarken versehentlich im Altpapier gelandet sind (ich war’s nicht), der Hund plötzlich

auf den Teppich gekotzt hat oder das Stressbewältigungs-Seminar sogar im Traum immer ausgebucht ist.

Witze und Arien

Dabei verstehe ich meine Miesepetra im Grunde eh. Aber während ich mich vielmehr an den störenden Kleinigkeiten des Alltags (wie das Hinter-der-Bim-Nachzuckeln) für ein paar Augenblicke entzünde, werden – selten, aber dann mit Verve – in ihrem Köpfchen apokalyptische Energien frei. Und die kann man sehen, hören, fühlen ... und als geschulter Ehe-Taktiker ignorieren. Am besten mit ausgesucht öden Witzen oder gepfiffenen Opernarien, mit banalen Fragen oder überschwänglichen Umarmungen.

Das ist natürlich reiner Selbstschutz. Denn ich gebe ehrlich zu, dass mir auf diesem Weg noch nie eine Entmuffelung gelang. Aber wehe, ich begegne ihrem Grant tatsächlich mit dem gewünschten Schweigen. Dann bin ich sofort der Klotz, der sich nicht in die Tiefe ihrer Gefühlswelt abseilen will.

Dagegen wehre ich mich. Also gilt es, ganz bewusst ganz besonders miese Laune zu verbreiten. Das kann ich.

Twitter: @MHufnagl