Meinung/Kolumnen/Paaradox

Das große Anbraten

Es war nicht nur ein Steak. Es war ein Dry Aged Prime T-Bone-Steak.

Michael Hufnagl
über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Der Mann nebenan hat von einem anderen Mann etwas geschenkt bekommen: ein T-Bone-Steak, 10 cm dick und so groß wie der Fußabdruck eines Elefanten. Als Hobby-Anthropologin fällt mir zu diesem archaischen Akt nur Folgendes ein: Vermutlich wollte hier ein Mann dem anderen Mann huldigen, quasi von Häuptling zu Häuptling. In meiner Fantasie sehe ich ein Stammesritual, bei dem die beiden Herren nackt ums Feuer tanzen, während sich die jüngeren Stammesangehörigen in die Testosteron-Ekstase trommeln (Anmerkung: die dazugehörigen Frauen sitzen derweil in den Lehmhütten und lesen die Neue Post). Schnitt.

Lutschen statt beißen?

Dieser Tage entschloss sich der Mann nebenan zum Verzehr der 800-Gramm-Gabe. Im Gegensatz zu seinen Ahnen hat er aber keine Ahnung, wie man das Ding gebraten kriegt. Heißt was? Heißt, dass die Neue-Post-Konsumentin um Rat gefragt wird: Du, ich hab vor einer Stunde das T-Bone vom H. aus dem Tiefkühler geholt – kann ich das jetzt grillen? Ich denke mir meinen Teil, sage aber nur: „Klar, wenn du es lieber lutschen statt beißen möchtest?!“ Er wartet. 12 Stunden. Davon quält er mich gefühlte 11 Stunden lang mit Zubereitungs-Tipps: Da steht, man muss es auf jeder Seite 5 Minuten braten, dann 10 Minuten bei 250 Grad grillen. Ich: „Wie du willst, mir wurscht. Ich ess eh Grießkoch.“ Er: Besser soll’s sein, wenn man es auf jeder Seite scharf anbrät, dann 30 Minuten bei 80 Grad im Rohr ruhen lässt. Ich: „Wie du magst.“ Er: Optional könnte man es in Folie geben, nicht anbraten und im Rohr dünsten. So bleibt es saftig. Ich: „Jo eh.“ Er: Und bitte vorher auf keinen Fall salzen. Schlecht, ganz schlecht. Aber pfeffern darfst du es schon!

Wie die Geschichte ausgegangen ist? Das lesen Sie nächste Woche möglicherweise in der Neuen Post – unter der zeitlos schönen Rubrik „Legendäre Ehedramen“.

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Es gibt Dinge, die will ich nicht mehr erklären. Dass bei einem Champions-League-Finale der Fernseher eine Stunde vor Anpfiff und eine Stunde nach Abpfiff laufen sollte. Dass ich aus therapeutischen Gründen über meine schockierenden Erlebnisse in Baumärkten sprechen muss. Oder dass die feierliche Übergabe eines besonderen Stücks Fleisch keinen Spott verdient.

Ich mache mich schließlich auch nicht darüber lustig, wenn meine Frau mit ihrer Freundin (ernsthaft!!!) darüber diskutiert, ob Kürbis-Radicchio-Strudel mit Walnusspesto bekömmlicher ist als Buchweizen-Spinat-Palatschinken mit Tomaten-Basilikum-Sauce. Ich schweige respektvoll (und hoffe, dass für mich nichts davon übrig bleibt).

Nur keine Experimente

Für das Geschenk galt: Es war nicht nur ein Steak. Es war ein Dry Aged Prime T-Bone-Steak. Bio, eh klar. Und wer so ein marmoriertes Meisterwerk in Händen hält, will sich nicht als Improvisationskünstler einer experimentellen Zubereitung widmen. Um am Ende eine dicke Flade auf dem Teller zu haben, deren einziger Sinn es noch sein kann, an die Füße von Alpinextremisten geschnallt zu werden.

Also begann ich, mich in den Tiefen der Steak-Foren zu verlieren. Nicht ahnend, dass ich mit der naiven Suche nach Tipps zwischen die Fronten von T-Bone-Partisanen gerate. Wo der Eindruck entsteht, von der Frage des Würzens (oder nicht) hinge das Überleben der Menschheit ab.

Meine Frau, Spezialistin im Scharf-Anbraten, wollte mir bei der 800-Gramm-Herausforderung helfen. Und war prompt beleidigt, weil ich den Vorschlag, bei der Brutzelei ihrem Bauchgefühl zu vertrauen, brüsk ablehnte. Aber ein Mann muss klare Grenzen setzen. Auch, wenn dann einen Abend lang die eheliche Stimmung bestenfalls medium rare ist.

Twitter: @MHufnagl