Allerlei Glücksgefühle
Die Ehe ist mitunter ein Brettspiel mit dem Namen „Zickezacke, Hühnerkacke.“
über die Szenen einer Redaktionsehe.
Sie
„Gott würfelt nicht“, heißt es. Der Mann nebenan seit Kurzem schon. Und das kam so: Am 23. Dezember bummelten wir mit vereinten Kreditkarten-Kräften durch die City, um einander keine Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Dabei landeten wir in einer Buchhandlung, wo ich ihm das leicht antiquierte Werk „Zwei, die zusammen wachsen. Gemeinsam durch die Jahrzehnte“ in der gebundenen Ausgabe unter die Nase hielt. Er reagierte darauf ein wenig gereizt, weil er den Titel als Anspielung auf sein aktuelles Gewicht verstand. Egal. In diesem Moment kam eine nette Dame auf uns zu und gab sich als treue „Paaradox“-Leserin aus. Wir wechselten ein paar Worte, dann verließ sie das Geschäft. Wenig später stand sie erneut da, um uns ein Geschenksackerl in die Hand zu drücken. Dazu sagte sie: „Ich glaub’, das ist was für Sie!“
Im Sackerl befanden sich zwei Würfel, einer rot, einer grün, mit denen man sich „Erlaubnisse“ erwürfeln kann. Etwa: „Mehr Fernsehen. Mehr Essen. Mehr Trinken. Mehr Geschenke“. Oder aber ein Fragezeichen, als „Freilos“. Seitdem fuchtelt er schon morgens beim Frühstück mit den zwei Dingern herum, um mit mir – was habe ich gelacht! – den Tag launig auszuschnapsen. Das Blöde: Als exzessiver Homo ludens hatte er immer schon Würfelglück, ich nie. Folglich passiert derzeit nix, was ich will, sondern immer nur, was er würfelt – und das ist leider meist der Joker. Von dem er glaubt, sich die absurdesten Dinge erpressen zu dürfen: drei Kopfmassagen, plus liebevoll verabreichte Kaviar-Häppchen, etwa. Fünf Komplimente untermalt von einem Strip. Oder zehn Sätze im Stile von: „Liebster, klar darfst du heute, morgen und übermorgen auf den Golfplatz, während ich hier schufte.“ Oh ja – die Ehe ist mitunter ein Brettspiel mit dem Namen „Zickezacke, Hühnerkacke.“ Nicht lachen, aber das gibt’s wirklich.
Er
Die Tatsache, dass uns eine fröhliche Leserin ein Geschenk in die Hand gedrückt hat, gibt mir Gelegenheit, eines meiner liebsten Zitate zu erwähnen. Es stammt vom Kicker Lukas Podolski, der einst philosophierte: „Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel.“ Dieses Gleichnis wende ich seither gerne auf meine Ehe an. Denn die ist mitunter auch wie Schach, nur ... seit Neuestem mit Würfeln. Das Pech meiner Frau ist nur: mein Glück. Und meine Überzeugung, dass es eben kein Zufall ist, wenn ich mich ins Paradies würfle, sondern ein unbedingter Wille des Schicksals. Leider endet dieses magische Privileg, sobald es nicht mehr darum geht, das Richtige zu würfeln, zu ziehen oder zu erraten. Denn im Alltag habe ich im Gegensatz zu meiner Frau gerne das Gefühl, dass sich im Stapel des Lebens mit Vorliebe für mich reservierte Arschkarten befinden.
Schalotten
Daher vermögen oft auf den ersten Blick nahezu lächerliche Ereignisse allergrößtes Triumphgeheul zu erzeugen. Z. B. vor fünf Tagen. Sie schrieb eine Einkaufsliste, ich verfügte mich in die silvesterliche Supermarkthölle. Stunden später hielt sie mir einen Bund Jungzwiebel unter die Nase und jammerte: „Geh’ Schatzi, ich wollte Schalotten.“ Darauf ich: „Dann hättest du Schalotten aufschreiben müssen.“ Darauf sie: „Hab’ ich auch.“ Darauf ich: „Garantiert nicht.“ Darauf sie: „Hundertprozentig.“ Darauf ich: „Nein.“ Darauf sie:
„Jede Wette ja.“ Sofort suchte ich wie ein Irrer, bis ich endlich dieses verdammte Zettelchen mit zittrigen Fingern aus dem Papiermist fischte. Und darauf stand: Jungzwiebel.
Nun ist es aber freilich nicht so, dass die Gattin deshalb „Oh, mein Fehler“ verlauten lässt, sondern eher etwas wie „Gibt’s doch nicht, wo habe ich dann die Schalotten hingeschrieben?“ Aber mir egal. Ich stemmte die Jungzwiebel wie einen Pokal in die Luft und grölte: „Alea iacta est! Danke!“
Twitter: @MHufnagl