Meinung/Kolumnen/Paaradox

Action im Wohnzimmer

Das beliebte Genre „Ein Held räumt auf“ besitzt eine immerwährende Faszination.

Gabriele Kuhn
über Rambo

Sie

Wo das Verständnis endet, beginnt die Milde. Nur so schafft man so manchen Fernsehabend mit dem Mann nebenan. Wenn allerdings zum sechsten Mal (oder war es das siebte Mal?) der Film „Rambo“ im Fernsehen läuft und er deshalb zum sechsten (oder doch siebten?) Mal fast vor Glück zu weinen beginnt, dann ... dann ist jede Form von Milde enden wollend. Zuletzt war dies vor einigen Tagen der Fall. Man lümmelte gemütlich bei Rotwein und etwas müde vor dem Fernseher herum. Ich zappte, weil ich gerne zappe, denn eigentlich ist mir Fernsehen wurscht. Fehler, sehr großer Fehler.

Rambo-Chip

Denn auf irgendeinem Sender waren gerade die ersten Szenen des Films zu sehen – der Mann, soeben auf dem Weg, sich Wein nachzugießen, blieb in der Sekunde wie vom Messer getroffen stehen. Es wirkte fast so als würde in ihm ein unsichtbar implantierter Rambo-Chip aktiv werden. Der in seinem Hirn folgende Befehle auslöst: – starr schauen – sich ohne Nahrung und Zufuhr von Flüssigem an Ort und Stelle niederlassen – jegliche Form von Kommunikation mit der Außenwelt einstellen – leicht mitwippen, wenn der Filmheld etwas tut. Also: schwitzt, stöhnt, böse blickt, lauert, kämpft. Und es wabern Dialoge wie diese durch die Wohnung:

Russischer Offizier: „Wer sind Sie?“ (per Funk)Rambo: „Ihr schlimmster Albtraum.“

Tut mir wirklich leid, aber da steige ich aus. Ich finde das alles einfach nur brachial blöd und genau das teilte ich ihm erneut mit. Worauf der Rambo-Chip ihn sagen ließ: Schatz, dieser Film ist eine Form von Sozialkritik. Okay, so betrachtet, wäre auch „Pretty Woman“ exzessiv sozialkritisch. Oder „Wetten, dass ..?“ Und die Sendung mit der Maus.

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Er

Ich glaube längst nicht mehr, dass Seitensprünge die häufigste Ursache von Scheidungen sind. Ich könnte mir eher vorstellen, dass der Kampf um das TV-Programm die wahren Dramen auslöst. Daher heißt es bei uns immer: Rasch die Fernbedienung sichern.

Gewinnt meine listige Frau das Wettrennen, bleibt sie als Zapperin mit Vorliebe bei französisch-melancholischen Regiemeisterwerken hängen. Deren Charakteristikum es ist, dass in drei Filmstunden maximal zehn ganze Sätze gesprochen werden. Oder sie verliert sich in medizinischen Dokus – im Stil von „Wie es ein nepalesischer Bub schafft, mit drei Herzen, fünf Lungen und noch sieben notwendigen Operationen zu überleben“.

Verlass ist bei ihr außerdem auf das Funktionieren des Sportfingers. Heißt: Sobald auf dem Bildschirm die kleinste Sequenz einer athletischen Tätigkeit auftaucht, katapultiert sie sich mit einem über Jahre antrainierten Tippautomatismus ins nächste Programm. Ich lernte damit zu leben und kündige wichtige Übertragungen schon Tage vorher an.

Prägung

Anders freilich verhält es sich bei plötzlich erscheinenden Actionstars mit Wuchtelgarantie. Im Idealfall bei Filmen, deren Reiz überhaupt erst durch das sechs- bis achtmalige Ansehen entsteht. Ja, ich gebe zu, und vermute männliche Prägung dahinter, dass das beliebte (und gelegentlich etwas simple) Genre „Ein Held räumt auf“ eine immerwährende Faszination besitzt. Dass Bruce Willis, Steven Seagal oder Sylvester Stallone eine unbewusste Sehnsucht nach knallharter und lässiger Lösungskompetenz befriedigen. Und manchmal gar nicht so blöd sind. In „Rambo I – First Blood“ sagt der Kämpfer: „Nicht Waffen töten Menschen, sondern Menschen töten Menschen.“ Na bitte. Das müsste doch auch wortkargen Cineasten ein „Oui, c’est ça“ entlocken.

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