Meinung/Kolumnen/Paaradox

Absolut fragwürdig

Philosophisch betrachtet, ist das Leben eine einzige Frage. Und eine Ehe sowieso.

Michael Hufnagl
über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Unlängst – es war wohl eine Vollmondnacht – hatte ich einen „Mann-nebenan“-Traum. Der Hollywood-Film „ Inception“ ist ein Betthupferl dagegen. Ich befand mich in einem mit Fußballer-Starschnitten austapezierten Raum, der eigentlich ein Klassenzimmer war, und musste nachsitzen. Das unter den Augen eines strengen Lehrers im FC Barcelona-Dress – raten Sie einmal, wer. Der ließ mich auf einen Zettel 1000-mal schreiben: „Ich darf keine blöden Fragen stellen. Ich darf keine blöden Fragen stellen. Ich darf keine blöden Fragen stellen.“ Als ich mich vertat und er mich maßregelte, erwachte ich und schrie ins Dunkel des Schlafzimmers: „Aber ich stelle doch eh nie blöde Fragen!“ Doch, immerzu hörte ich den Mann nebenan im Schlaf flüstern. Und plötzlich wusste ich nicht mehr, ob ich wache, träume oder zu viele Nervenruh-Pillen geschluckt hatte.

Höchststrafe

Egal. Im wirklichen Leben ist es so: Natürlich stelle ich Fragen. Philosophisch betrachtet, ist das Leben eine einzige Frage. Und eine Ehe sowieso. Der Mann nebenan hasst das. Er will ungefragt vor sich hinleben. Fragen wie „Wie sehe ich in diesem Hosenanzug aus?“ sind für ihn die Höchststrafe. Dementsprechend fällt seine Reaktion aus. Er antwortet „sensationell“, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Viel lieber starrt er aufs iPad und die aktuellen Ergebnisse eines völlig unwichtigen Golfturniers. Ebenfalls nah an der Impertinenz der „Gefällt-mir-Frage“ ist ein von mir empathisches „Was denkst du?“. Mein Mann fühlt sich in der Sekunde ertappt. Er empfindet das als überdimensionalen Kontrollversuch, als von mir inszenierten Gehirn-Scan. Also sagt er immer: An nix. Was er vergisst: An nix denken können nur Yogis und große Zen-Meister. Ich werde ihn wohl fragen müssen, wie sie heißt und ob sie im Hosenanzug so gut ausschaut wie ich.

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Er

Ich hüte mich, Schubladen mit den Beschriftungen „Typisch sie“ und „Typisch er“ zu basteln. Eine langjährige Beobachtung vermag Empirie niemals zu ersetzen. Aber : Sollte es irgendwo da draußen oder da oben einen Gott der Statistik geben, dann bin ich überzeugt, dass er in seiner himmlischen Excel-Tabelle eines definiert hat: Frauen fragen! Und zwar mehr als Männer.

Es ist jedoch im konkreten Fall (= die Dame links) ein fundamentaler Irrtum zu glauben, dass mich die offenbar große Notwendigkeit des (Aus-)Fragens per se stört. Nein. Vielmehr basiert mein leichtes Gereiztsein (das sich gerne zum massiven Genervtsein auswächst) auf einem simplen eheweiblichen 3-Säulen-Modell: 1. Was ist die Frage? 2. Wie wird die Frage formuliert? 3. Wann wird die Frage gestellt?

Ratespiel

Das hier im Detail hier zu erläutern, würde den Jahresbedarf einer Partnerkolumne decken. Daher nur ein Beispiel:

Die Weißt-du-Plage. Meine Frau stellt gerne Fragen, die sie eh selbst beantwortet, und kombiniert diese Leidenschaft mit einem Ratespiel. Heißt: Während ich ein Elferschießen anschaue, fragt sie: „Weiß du, wer gestorben ist?“ Perfide.

Denn a) weiß ich es natürlich nicht (der Onkel unserer Nachbarin? Lionel Ritchie? Die Ameisen im Badezimmer?), b) will ich es ausgerechnet jetzt nicht wissen, und c) mag ich nicht darüber nachdenken, ob es unangemessen ist, mich in Anbetracht einer tragischen Nachricht über eine Abseitsentscheidung zu empören. Na und? Während ich unter der Abwasch liegend ein Rohr repariere, höre ich „Weißt du, wie lange die Socken da schon liegen?“ oder „Weißt du, warum die Gerti gekündigt hat?“ oder „Weißt du, was mich stört?“

Ich antworte am liebsten mit Euripides. Der sprach: „Frag’ nur vernünftig, und du hörst Vernünftiges.“ So klug. Kein Wunder, dass der Mann Tragödiendichter war.

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