Zerfallsprozesse
Von Birgit Braunrath
Österreich ist gespalten, aber nicht in zwei Teile
über die Sorge einer Spaltung der Gesellschaft
Die Sorge, das Land sei in zwei Teile gespalten, ist unbegründet. Österreich zerfällt nämlich nicht in zwei, sondern in viel mehr Teile. Selbst innerhalb scheinbar homogener Meinungs-Cluster tun sich Risse auf.
Hört man sich auf sozialen Netzwerken und im echten Leben um, merkt man, dass einander Gleichgesinnte oft mit ebenso heftigen Worten kritisieren wie jene, zwischen denen ideologisch Galaxien liegen. Nicht zuletzt die Nazi-Liederbuch-Reaktionen machten das deutlich:
Unter jenen, die ehrlich betroffen waren und einhellig Konsequenzen forderten, brach etwa die Debatte aus, ob man dem Grauen mit erhobenem Mittelfinger und sich übergebenden Emojis entgegentreten müsse, oder ob feuchte Augen und mahnende Worte mehr bewirkten.
Und innerhalb der FPÖ wurden die Gräben spürbar, als Vizekanzler Strache rund um den „Akademikerball“ erklärte, in seiner Partei sei kein Platz für Antisemitismus. Bis hin zu „Kriechtier“ musste er sich dafür von den Anhängern nennen lassen.
Es mag sein, dass das Land zerfällt, aber eher nicht in zwei Hälften, sondern in seine Einzelteile.