Meinung/Kolumnen/Ohrwaschl

Sinnerfassend denken?

Die österreichische Diskussionskultur schwankt zwischen Konsensschmusen und Geifern

Guido Tartarotti
über sinnerfassendes Denken

Eine Million Österreicher kann nicht sinnerfassend lesen. Schlimmer noch: Es gibt einige, die können offensichtlich nicht einmal sinnerfassend denken.

Da ist zum Beispiel der Bürgermeister, der erklärt, Journalisten gehören „aufgehängt wie die Juden“. Um dann, nachdem er die Menschenwürde beleidigt hat, auch noch die Intelligenz zu beleidigen, indem er zu der infantilen Ausrede greift, er habe gesagt „zitieren aus dem Duden“. Was soll man aus dem Duden zitieren? „Infantil: kindlich“?

Und da ist zum Beispiel der Geschichte(!)-Lehrer, der schreibt, profil-Redakteurinnen gehören „sterilisiert“, die Redaktion „angezündet und eingeäschert“. Wie armselig muss man sich fühlen, um so etwas öffentlich zu sagen?

Jeder muss sich Kritik stellen (auch Journalisten und Lehrer). Aber zivilisatorische Grundregeln – bildhaft gesagt: die unfallfreie Handhabung von Messer und Gabel – muss Voraussetzung sein. Wieder zeigt sich: Die österreichische Diskussionskultur schwankt zwischen Konsensschmusen und Geifern. Dazwischen gibt es wenig.