Meinung/Kolumnen/Ohrwaschl

Paradox

Wer nicht da ist, zeigt, dass es auch ohne ihn geht.

Birgit Braunrath
über Präsenz-Zwang

Ein Begriff geistert durch die Arbeitswelt: " Präsentismus". Auf Deutsch: Die körperliche Anwesenheit trotz gesundheitlicher Verhinderung aufgrund von Existenzängsten in einer angespannten Arbeitsmarktlage.

Bisher standen eher "Seitenblicke"-Statisten in Verdacht, an Präsenz-Zwang ohne Rücksicht auf körperliche und geistige Gesundheit zu leiden. Doch die Präsentiersucht ist vom Fernsehschirm ins ganz normale Leben abgerutscht, in Büros, auf Baustellen, in Handels- und Industriebetriebe.

Wer nicht da ist, zeigt, dass es auch ohne ihn geht. Und das geht in der Effizienz-getriebenen Berufswelt nicht lange gut. Also erscheint man am Arbeitsplatz, bringt die Hülle auf ihren Posten, während das Innere an einer Krankheit laboriert.

Das Paradoxe am Präsentismus: Dieses Effizienz-getriebene System bringt drastische Produktivitätsverluste mit sich. Denn das Arbeiten um jeden Preis ist Scheinarbeit, die in Wahrheit keiner macht. Und gesund spielen, statt ein Leiden zu kurieren, macht erst recht krank. So bringt sich der Leistungsdruck selbst um.