Meinung/Kolumnen/Ohrwaschl

Massenbierhaltung

Maß für Maß (von Shakesbier).

Guido Tartarotti
über die Verwiesung des Landes.

Der September steht vor der Tür, morgen müssen wir ihn reinlassen, und das heißt: Jetzt hören wir wieder jenes Gras wachsen, in das wir dann beißen – die Wiesn.

Die Wiesn wuchern das Land zu, man könnte glauben, ganz Österreich ist eine Rasenfläche: Jeder Tisch, der nicht rechtzeitig davonläuft, kriegt ein weiß-blaues Deckerl angezogen, alles, was einem Gefäß oder einem Mund ähnlich sieht, wird mit Bier befüllt, und sollte es irgendwo die eine oder andere Stille wagen, als ungebetener Gast Platz zu nehmen, wird ihr sofort mit Gabalier, Helene Fischer oder anderen Stimmungswaffen der Garaus gemacht. Und die Bekleidungswarenindustrie liefert das Zubehör: Lederhosen- und Dirndl-Imitate in, vorsichtig formuliert, bemerkenswerten Farben und Schnitten, mit denen sich vor allem Städter als Nichtstädter verkleiden, aber dabei ganz besonders wie Städter aussehen.

Wenn die gute Laune zuschlägt, bis kein Gras mehr wächst, dann wächst stattdessen: die Wiesn. Oder, wie Shakespeare in seinem berühmten Stück übers Oktoberfest schrieb: Maß für Maß.

Guido Tartarottis Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" ist am 11. September im Kabarett Niedermair zu sehen, am 27. September im Theater am Alsergrund, am 29. September in der Bühne im Hof in St. Pölten und am 5. Oktober in der Stadtgalerie Mödling.