Meinung/Kolumnen/Ohrwaschl

Freistilringen auf Wienerisch

Das ,Ohrenreiberl' war eine Streicheleinheit gegen das, was sich heute am Heumarkt abspielt

Birgit Braunrath
über alle Paarungen, die derzeit am Heumarkt gegeneinander antreten

Das berühmte „Ohrenreiberl“, das die Ringer einander früher am Wiener Heumarkt verpasst haben, war eine Streicheleinheit gegen das, was dort heute an Rangeleien ausgetragen wird.

Für Menschen jenseits der Wiener Gürtellinie kurz erklärt: Im 1. Bezirk soll ein jahrelang geplantes Architekturprojekt umgesetzt werden. Die grüne Planungsstadträtin befürwortet es, die grüne Basis sprach sich jetzt in einer Urabstimmung (bei einer Beteiligung von 685 Personen) mit 18 Stimmen dagegen aus. Das ergibt folgende Wrestling-Konstellationen:

Die Wiener Grünen gegen sich selbst; Grün gegen Rot in der Stadtregierung (weil die SPÖ dafür ist); zahlreiche Architekten gegen das Projekt an sich (weil die Kritiker jetzt wieder Hoffnung schöpfen); die UNESCO gegen den geplanten 66 Meter hohen Wohnturm (weil damit der Status Weltkulturerbe gefährdet sei); der Projektbetreiber gegen die Zeit (und die 18 Grünen ...); und einige Anrainer sind auch schon dabei, in den Ring zu steigen.

Einst sagte man in Wien bei sehr schlechtem Benehmen: „Wir sind hier nicht am Heumarkt!“ Das Sprichwort klingt dieser Tage aktueller denn je.