Meinung/Kolumnen/Ohrwaschl

Die Lehre der Leere

Leere muss sofort gefüllt werden.

Guido Tartarotti
über das Nichts im Fernsehen und anderswo.

Derzeit wird gerne auf die kuriose Tatsache hingewiesen, dass das eben 60 Jahre alt gewordene Fernsehen jahrzehntelang vor allem eines sendete: nichts. Erst seit 1995 gibt es das 24-Stunden-Programm im ORF, bis dahin wurde nachts und teilweise auch am Vormittag überhaupt nichts ausgestrahlt, und niemand stieß sich daran.

Aus heutiger Sicht gilt das als unerhörter Akt. Denn wir leben im Optimierungszeitalter, unsere Gesellschaft laboriert kollektiv an „Horror vacui“, der Angst vor der Leerstelle. Leere muss sofort gefüllt werden. Und wer in seinem Leben manchmal Leere fühlt, bekommt sofort ein Glücksratgeberbuch geschenkt, damit er nicht auf dumme Ideen kommt. Mittlerweise gibt es schon Glücksratgeber, die davor warnen, auf Glückratgeber zu hören. Vielleicht wäre der beste Glücksratgeber ja ein Notizbuch – da kann man die leeren Seiten selbst füllen, oder, je nach Laune, auch freilassen.

In Amerika stieß der Autor dieser Zeilen einmal auf einen Radiosender, der nur Stille ausstrahlte. Und der war keineswegs der schlechteste Sender im Netz.